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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Zivilisation ist noch nicht da, und schon haben wir ihre Greuel. Man erschauert, wenn man davon liest, und freut sich der kleinen und alltäglichen Verhältnisse, drin der Wille Gottes uns gnädig stellte.«
    Nach diesen Worten, die was von einem guten Abgang hatten, erhob sich Koseleger, und der Alte, seinerseits seinen Arm in den des Superintendenten einhakend, »um sich«, wie er sagte, »auf die Kirche zu stützen«, begleitete seinen Besuch bis wieder auf die Rampe hinaus und grüßte noch mit der Hand, als der Wagen schon über die Bohlenbrücke fuhr. Dann wandte er sich rasch an Engelke, der neben ihm stand, und sagte:
    »Engelke, schade, daß ich mit dir nicht wetten kann. Lust hätt’ ich. Heute kommt noch wer, du wirst es sehn. Eine Woche lang läßt sich keine Katze blicken, aber wenn unser Schicksal erst mal ‘nen Entschluß gefaßt hat, dann kann es sich auch wieder nicht genug tun. Man gewinnt dreimal das große Los, oder man stößt sich dreimal den Kopp. Und immer an derselben Stelle.«
    Es schlug zwölf, als Dubslav vom Portal her wieder den Flur passierte. Dabei sah er nach dem Hippenmann hinauf und zählte die Schläge. »Zwölf«, sagte er, »und um zwölf ist alles aus, und dann fängt der neue Tag an. Es gibt freilich zwei Zwölfen, und die Zwölf, die da oben jetzt schlägt, das is die Mittagszwölf. Aber Mittag!… Wo bist du, Sonne, geblieben!« All dem weiter nachhängend, wie er jetzt öfter tat, kam er an seinen Kaminplatz und nahm eine Zeitung in die Hand. Er sah jedoch kaum drauf hin und beschäftigte sich, während er zu lesen schien, eigentlich nur mit der Frage, »wer wohl heute noch kommen könne«, und dabei neben andren Personen aus seiner Umgebung auch an Lorenzen denkend, kam er zu dem Schlußresultat, daß ihm Lorenzen »mit all seinem neuen Unsinn« doch am Ende lieber sei als Koseleger mit seinen Heilsgütern, von denen er wohl zwei-, dreimal gesprochen hatte. »Ja, die Heilsgüter, die sind ganz gut. Versteht sich. Ich werde mich nicht so versündigen. Die Kirche kann was, is was, und der alte Luther, nu der war schon ganz gewiß was, weil er ehrlich war und für seine Sache sterben wollte. Nahe dran war er. Eigentlich kommt’s doch immer bloß darauf an, daß einer sagt, ›dafür sterb’ ich‹. Und es dann aber auch tut. Für was, is beinah gleich. Daß man überhaupt so was kann, wie sich opfern, das ist das Große. Kirchlich mag es ja falsch sein, was ich da so sage; aber was sie jetzt ›sittlich‹ nennen (und manche sagen auch ›schönheitlich‹, aber das is ein zu dolles Wort), also was sie jetzt sittlich nennen, so bloß auf das hin angesehn, da is das persönliche Sicheinsetzen und Für-was-sterben-Können und -Wollen doch das Höchste. Mehr kann der Mensch nich. Aber Koseleger. Der will leben.«
    Und während er noch so vor sich hin seinen Faden spann, war sein gutes altes Faktotum eingetreten, an das er denn auch ohne weiteres und bloß zu eignem Ergötzen die Frage richtete: »Nich wahr, Engelke?«
    Der aber hörte gar nichts mehr, so sehr war er in Verwirrung, und stotterte nur aus sich heraus: »Ach Gott, gnädiger Herr, nu is es doch so gekommen.«
    »Wie? Was?«
    »Die Frau Gemahlin von unserm Herrn Oberförster…«
    »Was? Die Prinzessin?«
    »Ja, die Frau Katzler, Durchlaucht.«
    »Alle Wetter, Engelke… Da haben wir’s. Aber ich hab’ es ja gesagt, ich wußt’ es. Wie so ‘n Tag anfängt, so bleibt er, so geht es weiter… Und wie das hier durcheinanderliegt, alles wie Kraut und Rüben. Nimm die Zudecke weg, ach was Zudecke, die reine Pferdedecke; wir müssen eine andre haben. Und nimm auch die grünen Tropfen weg, daß es nicht gleich aussieht wie ‘ne Krankenstube… Die Prinzessin… Aber rasch, Engelke, flink… Ich lasse bitten, ich lasse die Frau Oberförsterin bitten.«
    Dubslav rückte sich, so gut es ging, zurecht; im übrigen aber hielt er’s in seinem desolaten Zustande doch für besser, in seinem Rollstuhl zu bleiben, als der Prinzessin entgegenzugehn oder sie durch ein Sicherheben von seinem Sitz mehr oder weniger feierlich zu begrüßen. Ermyntrud paßte sich seinen Intentionen denn auch an und gab durch eine gemessene Handbewegung zu verstehen, daß sie nicht zu stören wünsche. Gleich danach legte sie den rechten Arm auf die Lehne eines nebenstehenden Stuhles und sagte: »Ich komme, Herr von Stechlin, um nach Ihrem Befinden zu fragen; Katzler (sie nannte ihn, unter geflissentlichster Vermeidung des allerdings plebejen

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