Der Stechlin.
deutsch-englische Hagelversicherungsgesellschaft Pluvius eingetreten und hatte mit sechsundsechzig sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum in ebendieser Gesellschaft gefeiert. Das war aus bestimmten Gründen ein großer Tag gewesen. Denn als Schickedanz ihn erlebte; hieß er nur noch so ganz obenhin »Herr Versicherungssekretär«, war aber in Wahrheit über diesen seinen Titel weit hinausgewachsen und besaß bereits das schöne Haus am Kronprinzenufer. Er hatte sich das leisten können, weil er im Lauf der letzten fünf Jahre zweimal hintereinander ein Viertel vom großen Lose gewonnen hatte. Dies sah er sich allerseits als persönliches Verdienst angerechnet und auch wohl mit Recht. Denn arbeiten kann jeder, das große Los gewinnen kann nicht jeder. Und so blieb er denn bei der Versicherungsgesellschaft lediglich nur noch als verhätscheltes Zierstück, weil es damals wie jetzt einen guten Eindruck machte, Personen der Art im Dienst oder gar als Teilnehmer zu haben. An der Spitze muß immer ein Fürst stehen. Und Schickedanz war jetzt Fürst. Alles drängte sich nicht bloß an ihn, sondern seine Stammtischfreunde, die zu seiner zweimal bewährten Glückshand ein unbedingtes Vertrauen hatten, drangen sogar eine Zeitlang in ihn, die Lotterielose für sie zu ziehen. Aber keiner gewann, was schließlich einen Umschlag schuf und einzelne von »bösem Blick« und sogar ganz unsinnigerweise von Mogelei sprechen ließ. Die meisten indessen hielten es für klug, ihr Übelwollen zurückzuhalten; war er doch immerhin ein Mann, der jedem, wenn er wollte, Deckung und Stütze geben konnte. Ja, Schickedanz’ Glück und Ansehen war groß, am größten natürlich an seinem Jubiläumstage. Nicht zu glauben, wer da alles kam. Nur ein Orden kam nicht, was denn auch von einigen Schickedanzfanatikern sehr mißliebig bemerkt wurde. Besonders schmerzlich empfand es die Frau. »Gott, er hat doch immer so treu gewählt«, sagte sie. Sie kam aber nicht in die Lage, sich in diesen Schmerz einzuleben, da schon die nächsten Zeiten bestimmt waren, ihr Schwereres zu bringen. Am 21. September war das Jubiläum gewesen, am 21. Oktober erkrankte er, am 21. Dezember starb er. Auf dem Notizenzettel, den man damals dem Kandidaten zugestellt hatte, hatte dieser dreimal wiederkehrende »Einundzwanzigste« gefehlt, was alles in allem wohl als ein Glück angesehen werden konnte, weil, entgegengesetztenfalls, die »drei Tage vor Weihnachten« entweder gar nicht zustande gekommen oder aber durch eine geteilte Herrschaft in ihrer Wirkung abgeschwächt worden wären.
Schickedanz war bei voller Besinnung gestorben. Er rief, kurz vor seinem Ende, seine Frau an sein Bett und sagte: »Riekchen, sei ruhig. Jeder muß. Ein Testament hab’ ich nicht gemacht. Es gibt doch bloß immer Zank und Streit. Auf meinem Schreibtisch liegt ein Briefbogen, drauf hab’ ich alles Nötige geschrieben. Viel wichtiger ist mir das mit dem Haus. Du mußt es behalten, damit die Leute sagen können: ›Da wohnt Frau Schickedanz.‹ Hausname, Straßenname, das ist überhaupt das Beste. Straßenname dauert noch länger als Denkmal.«
»Gott, Schickedanz, sprich nicht so viel; es strengt dich an. Ich will es ja alles heilig halten, schon aus Liebe…«
»Das ist recht, Riekchen. Ja, du warst immer eine gute Frau, wenn wir auch keine Nachfolge gehabt haben. Aber darum bitte ich dich, vergiß nie, daß es meine Puppe war. Du darfst bloß vornehme Leute nehmen; reiche Leute, die bloß reich sind, nimm nicht; die quängeln bloß und schlagen große Haken in die Türfüllung und hängen eine Schaukel dran. Überhaupt, wenn es sein kann, keine Kinder. Hartwigen unten mußt du behalten; er ist eigentlich ein Klugschmus, aber die Frau ist gut. Und der kleine Rudolf, mein Patenkind, wenn er ein Jahr alt wird, soll er hundert Taler kriegen. Taler, nicht Mark. Und der Schullehrer in Kaputt soll auch hundert Taler kriegen. Der wird sich wundern. Aber darauf freu’ ich mich schon. Und auf dem Invalidenkirchhof will ich begraben sein, wenn es irgend geht. Invalide ist ja doch eigentlich jeder. Und anno siebzig war ich doch auch mit Liebesgaben bis dicht an den Feind, trotzdem Luchterhand immer sagte: ›Nicht so nah ran.‹ Sei freundlich gegen die Leute und nicht zu sparsam (du bist ein bißchen zu sparsam) und bewahre mir einen Platz in deinem Herzen. Denn treu warst du, das sagt mir eine innere Stimme.«
Diesem allem hatte Riekchen seitdem gelebt. Die Beletage, die leer stand, als Schickedanz
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