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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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ihn ja während der Sitzung mit einer Art Aplomb. Ich erinnere mich noch, wie mir der Name wohltat, als ich ihn das erstemal hörte. So heißt nicht jeder. Wie kommen Sie mit dem Manne aus?«
    »Sehr gut, Herr Superintendent.«
    »Freut mich aufrichtig. Aber es muß ein Kunststück sein. Er hat ein Gesicht wie ‘ne Eule. Dabei so was Steifleinenes und zugleich Selbstbewußtes. Der richtige Lehrer. Meiner in Quaden-Hennersdorf war ebenso. Aber er läßt nun schon ein bißchen nach.«
    Unter diesen Worten waren sie bis an die Pfarre gekommen, in der man, ohne daß ein Bote vorausgeschickt worden wäre, doch schon wußte, daß der Herr Superintendent mit erscheinen würde. Nun war er da. Nur wenige Minuten waren seit dem Aufbruch vom Krug her vergangen, die trotz Kürze für Frau Kulicke (eine Lehrerswitwe, die Lorenzen die Wirtschaft führte) ausgereicht hatten, alles in Schick und Ordnung zu bringen. Auf dem länglichen Hausflur, an dessen äußerstem Ende man gleich beim Eintreten die blinkblanke Küche sah, brannten ein paar helle Paraffinkerzen, während rechts daneben, in der offenstehenden Studierstube, eine große Lampe mit grünem Bilderschirm ein gedämpftes Licht gab. Lorenzen schob den Sofatisch, darauf Zeitungen hoch aufgeschichtet lagen, ein wenig zurück und bat Koseleger, Platz zu nehmen. Aber dieser, eben jetzt das große Bild bemerkend, das in beinahe reicher Umrahmung über dem Sofa hing, nahm den ihm angebotenen Platz nicht gleich ein, sondern sagte, sich über den Tisch vorbeugend: »Ah, gratuliere, Lorenzen. Kreuzabnahme; Rubens. Das ist ja ein wunderschöner Stich. Oder eigentlich Aquatinta. Dergleichen wird hier wohl im siebenmeiligen Umkreis nicht oft betroffen werden, nicht einmal in dem etwas heraufgepufften Rheinsberg; in Rheinsberg war man für Watteausche Reifrockdamen auf einer Schaukel, aber nicht für Kreuzabnahmen und dergleichen. Und stammt auch sicher nicht aus dem sogenannten Schloß Ihres liebenswürdigen alten Herrn drüben, Riesenkate mit Glaskugel davor. Ach, wenn ich diese Glaskugeln sehe. Und daneben das hier! Wissen Sie, Lorenzen, das Bild hier ruft mir eine schöne Stunde meines Lebens zurück, einen Reisetag, wo ich mit Großfürstin Wera vom Haag aus in Antwerpen war. Da sah ich das Bild in der Kathedrale. Waren Sie da?«
    Lorenzen verneinte.
    »Das wäre was für Sie. Dieser Rubens im Original, in seiner Farbenallgewalt. Es heißt immer, daß er nur Flamänderinnen hätte malen können. Nun, das wäre wohl auch noch nicht das Schlimmste gewesen. Aber er konnte mehr. Sehen Sie den Christus. Wohl jedem, der draußen war und zu dem die Welt mal in andern Zungen redete! Hier blüht der Bilderbogen, Türke links, Russe rechts. Ach, Lorenzen, es ist traurig, hier versauern zu müssen.«
    Als er so gesprochen, ließ er sich, vor sich hinstarrend, in die Sofaecke nieder, ganz wie in andre Zeiten verloren, und sah erst wieder auf, als ein junges Ding ins Zimmer trat, groß und schlank und blond, und dem Pastor verlegen und errötend etwas zuflüsterte.
    »Meine gute Frau Kulicke«, sagte Lorenzen, »läßt eben fragen, ob wir unsern Imbiß im Nebenzimmer nehmen wollen? Ich möchte beinahe glauben, es ist das Beste, wir bleiben hier. Es heißt zwar, ein Eßzimmer müsse kalt sein. Nun, das hätten wir nebenan. Ich persönlich finde jedoch das Temperierte besser. Aber ich bitte, bestimmen zu wollen, Herr Superintendent.«
    »Temperiert. Mir aus der Seele gesprochen. Also wir bleiben, wo wir sind… Aber sagen Sie mir, Lorenzen, wer war das entzückende Geschöpf? Wie ein Bild von Knaus. Halb Prinzeß, halb Rotkäppchen. Wie alt ist sie denn?«
    »Siebzehn. Eine Nichte meiner guten Frau Kulicke.«
    »Siebzehn. Ach, Lorenzen, wie Sie zu beneiden sind. Immer solche Menschenblüte zu sehn. Und siebzehn, sagen Sie. Ja, das ist das Eigentliche. Sechzehn hat noch ein bißchen von der Eierschale, noch ein bißchen den Einsegnungscharakter, und achtzehn ist schon wieder alltäglich. Achtzehn kann jeder sein. Aber siebzehn. Ein wunderbarer Mittelzustand. Und wie heißt sie?«
    »Elfriede.«
    »Auch das noch.«
    Lorenzen wiegte den Kopf und lächelte.
    »Ja, Sie lächeln, Lorenzen, und wissen nicht, wie gut Sie’s haben in dieser Ihrer Waldpfarre. Was ich hier sehe, heimelt mich an, das ganze Dorf, alles. Wenn ich mir da beispielsweise den Tisch wieder vergegenwärtige, dran wir, drüben im Krug, vor einer halben Stunde gesessen haben, an der linken Seite dieser Krippenstapel (er sei, wie er

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