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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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vielleicht auch Krippenstapel. Krippenstapel ist doch zuletzt der; der alles macht. Jedenfalls liegt es so, wenn es der eine nicht ist, ist es der andre.«
    »Ich kann das zugeben. Wie könnte sonst die Welt bestehen? Es gibt nichts, was uns so Demut predigte wie die Wahrnehmung von der Entbehrlichkeit des einzelnen. Aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, das ist Erfüllung unsrer Pflicht.«
    Katzler, als er dies Wort hörte, sah sich nach einem Etwas um, das ihn in den Stand gesetzt hätte, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Aber, wie stets in solchen Momenten, das, was retten konnte, war nicht zu finden, und so sah er denn wohl, daß er einem Vortrag der Prinzessin über ihr Lieblingsthema »von der Pflicht« verfallen sei. Dabei war er eigentlich hungrig.
    Ermyntrud wies auf ein Taburet, das sie mittlerweile neben ihren Sofaplatz geschoben, und sagte: »Daß ich immer wieder davon sprechen muß, Wladimir. Wir leben eben nicht in der Welt um unsert-, sondern um andrer willen. Ich will nicht sagen um der Menschheit willen, was eitel klingt, wiewohl es eigentlich wohl so sein sollte. Was uns obliegt, ist nicht die Lust des Lebens, auch nicht einmal die Liebe, die wirkliche, sondern lediglich die Pflicht…«
    »Gewiß, Ermyntrud. Wir sind einig darüber. Es ist dies außerdem auch etwas speziell Preußisches. Wir sind dadurch vor andern Nationen ausgezeichnet, und selbst bei denen, die uns nicht begreifen oder übelwollen, dämmert die Vorstellung von unsrer daraus entspringenden Überlegenheit. Aber es gibt doch Unterschiede, Grade. Wenn ich statt zu der Stechliner Wählerversammlung lieber zu Doktor Sponholz oder zur alten Stinten in Kloster Wutz (die ja schon früher einmal dabei war) gefahren wäre, so wäre das doch vielleicht das Bessere gewesen. Es ist ein Glück, daß es noch mal so vorübergegangen. Aber darauf darf man nicht in jedem Falle rechnen.«
    »Nein, darauf darf man nicht in jedem Falle rechnen. Aber man darf darauf rechnen, daß, wenn man das Pflichtgemäße tut, man zugleich auch das Rechte tut. Es hängt so viel an der Wahl unsers alten trefflichen Stechlin. Er steht außerdem sittlich höher als Kortschädel, dem man, trotz seiner siebzig, allerhand nachsagen durfte. Stechlin ist ganz intakt. Etwas sehr Seltenes. Und einem sittlichen Prinzip zum Siege zu verhelfen, dafür leben wir doch recht eigentlich. Dafür lebe wenigstens ich.«
    »Gewiß, Ermyntrud, gewiß.«
    »In jedem Augenblicke seiner Obliegenheiten eingedenk sein, ohne erst bei Neigung oder Stimmung anzufragen, das hab’ ich mir in feierlicher Stunde gelobt, du weißt, in welcher, und du wirst mir das Zeugnis ausstellen, daß ich diesem Gelöbnis nachgekommen…«
    »Gewiß, Ermyntrud, gewiß. Es war unser Fundament…«
    »Und wenn es sich um eine sittliche Pflicht handelt, wie doch heute ganz offenbar, wie hätt’ ich da sagen wollen: bleibe. Ich wäre mir klein vorgekommen, klein und untreu.«
    »Nicht untreu, Ermyntrud.«
    »Doch, doch. Es gibt viele Formen der Untreue. Das Persönliche hat sich der Familie zu bequemen und unterzuordnen und die Familie wieder der Gesellschaft. In diesem Sinne bin ich erzogen, und in diesem Sinne tat ich den Schritt. Verlange nicht, daß ich in irgend etwas diesen Schritt zurücktue.«
    »Nie.«
    Das kleine Dienstmädchen, eine Heideläufertochter, deren storres Haar, von keiner Bürste gezähmt, immer weit abstand, erschien in diesem Augenblicke, meldend, daß sie das Teezeug gebracht habe.
    Katzler nahm seiner Frau Arm, um sie bis in das zweite, nach dem Hof hinaus gelegene Zimmer zu führen. Als er aber wahrnahm, wie schwer ihr das Gehen wurde, sagte er: »Ich freue mich, dich so sprechen zu hören. Immer du selbst. Ich bin aber doch in Unruhe und will morgen früh zur Frau schicken.«
    Sie nickte zustimmend, während ein halb zärtlicher Blick den guten Katzler streifte, der, solange das ihm nur zu wohlbekannte Gespräch über Pflicht gedauert hatte, von Minute zu Minute verlegener geworden war.

Neunzehntes Kapitel
    Und nun war Wahltagmorgen. Kurz vor acht erschien Lorenzen auf dem Schloß, um in Dubslavs schon auf der Rampe haltenden Kaleschewagen einzusteigen und mit nach Rheinsberg zu fahren. Der Alte, bereits gestiefelt und gespornt, empfing ihn mit gewohnter Herzlichkeit und guter Laune. »Das ist recht, Lorenzen. Und nun wollen wir auch gleich aufsteigen. Aber warum haben Sie mich nicht an Ihrem Pfarrgarten erwartet? Muß ja doch dran vorüber« - und dabei schob

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