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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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nichts war; aber gegen Düppel (wenn ich auch nicht mit dabei gewesen), gegen Düppel war es gar nichts. Wie war es denn bei Spichern, wovon du so viel redst, als ob sich vierundsechzig daneben verstecken müßte? Bei Spichern, da waren Menschen oben, aber bei Düppel, da waren Schanzen oben. Und ich sage dir, Schanzen mit ‘m Turm drin. Da pfeift es ganz anders. Das heißt, von Pfeifen war schon eigentlich gar keine Rede mehr.« Eine Folge dieser Anschauung war es denn auch, daß in den Augen Kluckhuhns der Pionier Klinke, der bei Düppel unter Opferung seines Lebens den Palisadenpfahl von Schanze drei weggesprengt hatte, der eigentliche Held aller drei Kriege war und alles in allem nur einen Rivalen hatte. Dieser eine Rivale stand aber drüben auf Seite der Dänen und war überhaupt kein Mensch, sondern ein Schiff und hieß Rolf Krake. »Ja, Kinder, wie wir nu da so rüber gondelten, da lag das schwarze Biest immer dicht neben uns und sah aus wie ‘n Sarg. Und wenn es gewollt hätte, so wär’ es auch alle mit uns gewesen und bloß noch plumps in den Alsensund. Und weil wir das wußten, schossen wir immer drauflos, denn wenn einem so zumute ist, dann schießt der Mensch immerzu.«
    Ja, Rolf Krake war eine fatale Sache für Kluckhuhn gewesen. Aber dasselbe schwarze Schiff, das ihm damals so viel Furcht und Sorge gemacht hatte, war doch auch wieder ein Segen für ihn geworden, und man durfte sagen, sein Leben stand seitdem im Zeichen von Rolf Krake. Wie Gundermann immer der Sozialdemokratie das »Wasser abstellen« wollte, so verglich Kluckhuhn alles zur Sozialdemokratie Gehörige mit dem schwarzen Ungetüm im Alsensund. »Ich sag’ euch, was sie jetzt die soziale Revolution nennen, das liegt neben uns wie damals Rolf Krake; Bebel wartet bloß, und mit eins fegt er dazwischen.«
    Schulze Kluckhuhn war in der ganzen Stechliner Gegend sehr angesehen, und als er jetzt mit seiner Medaille so dasaß, dicht neben Koseleger, war er sich dessen auch wohl bewußt. Aber gegen Krippenstapel, den er als Schulpauker und Bienenvater eigentlich nicht für voll ansah, kam er bei dieser Gelegenheit doch nicht an; Krippenstapel hatte heute ganz seinen großen Tag, so sehr, daß selbst Kluckhuhn seinen Ton herabstimmen mußte.
    Katzler, ein entschiedener Nichtredner, begann, als er sich mit seinem Notizenzettel, auf dem verschiedene Satzanfänge standen, erhoben hatte, mit der Versicherung, daß er den so zahlreich Anwesenden, unter denen vielleicht auch einige Andersdenkende seien, für ihr Erscheinen danke. Sie wüßten alle, zu welchem Zweck sie hier seien. Der alte Kortschädel sei tot, »er ist in Ehren hingegangen«, und es handle sich heute darum, dem alten Herrn von Kortschädel im Reichstag einen Nachfolger zu geben. Die Grafschaft habe immer konservativ gewählt; es sei Ehrensache, wieder konservativ zu wählen. »Und ob die Welt voll Teufel wär’.« Es liege der Grafschaft ob, dieser Welt des Abfalls zu zeigen, daß es noch »Stätten« gäbe. Und hier sei eine solche Stätte. »Wir haben, glaub’ ich«, so schloß er, »niemand an diesem Tisch, der das Parlamentarische voll beherrscht, weshalb ich bemüht gewesen bin, das, was uns hier zusammengeführt hat, schriftlich niederzulegen. Es ist ein schwacher Versuch. Jeder tut, so viel er kann, und der Brombeerstrauch hat eben nur seine Beeren. Aber auch sie können den durstigen Wanderer erfrischen. Und so bitte ich denn unsern politischen Freund, dem wir außerdem für die Erforschung dieser Gegenden so viel verdanken, ich bitte Herrn Lehrer Krippenstapel, uns das von mir Aufgesetzte vorlesen zu wollen. Ein pro memoria. Man kann es vielleicht so nennen.«
    Katzler, unter Verneigung, setzte sich wieder, während sich Krippenstapel erhob. Er blätterte wie ein Rechtsanwalt in einer Anzahl von Papieren und sagte dann: »Ich folge der Aufforderung des Herrn Vorsitzenden und freue mich, berufen zu sein, ein Schriftstück zur Vorlesung zu bringen, das unser aller Gefühlen - ich bin dessen sicher und glaube von den Einschränkungen, die unser Herr Vorsitzender gemacht hat, absehen zu dürfen - zu kräftigstem Ausdruck verhilft.«
    Und nun setzte Krippenstapel seine Hornbrille auf und las. Es war ein ganz kurzes Schriftstück und enthielt eigentlich dasselbe, was Katzler schon gesagt hatte. Die Betonungen Krippenstapels sorgten aber dafür, daß der Beifall reichlicher war und daß die Schlußwendung »und so vereinigen wir uns denn in dem Satze: was um den Stechlin herum

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