Der Stechlin.
er ihm voll Sorglichkeit eine Decke zu, während die Pferde schon anrückten. »Übrigens freut es mich trotzdem (man widerspricht sich immer), daß Sie nicht so praktisch gewesen und doch lieber gekommen sind. Es is ‘ne Politesse. Und die Menschen sind jetzt so schrecklich unpoliert und geradezu unmanierlich… Aber lassen wir’s; ich kann es nicht ändern, und es grämt mich auch nicht.«
»Weil Sie gütig sind und jene Heiterkeit haben, die, menschlich angesehn, so ziemlich unser Bestes ist.«
Dubslav lachte. »Ja, so viel ist richtig; Kopfhängerei war nie meine Sache, und wäre das verdammte Geld nicht… Hören Sie, Lorenzen, das mit dem Mammon und dem Goldnen Kalb, das sind doch eigentlich alles sehr feine Sachen.«
»Gewiß, Herr von Stechlin.«
»… Und wäre das verdammte Geld nicht, so hätt’ ich den Kopf noch weniger hängen lassen, als ich getan. Aber das Geld. Da war, noch unter Friedrich Wilhelm III., der alte General von der Marwitz auf Friedersdorf, von dem Sie gewiß mal gehört haben, der hat in seinen Memoiren irgendwo gesagt: er hätte sich aus dem Dienst gern schon früher zurückgezogen und sei bloß geblieben um des Schlechtesten willen, was es überhaupt gäbe, um des Geldes willen, - und das hat damals, als ich es las, einen großen Eindruck auf mich gemacht. Denn es gehört was dazu, das so ruhig auszusprechen. Die Menschen sind in allen Stücken so verlogen und unehrlich, auch in Geldsachen, fast noch mehr als in Tugend. Und das will was sagen. Ja, Lorenzen, so ist es… Na, lassen wir’s, Sie wissen ja auch Bescheid. Und dann sind das schließlich auch keine Betrachtungen für heute, wo ich gewählt werden und den Triumphator spielen soll. Übrigens geh’ ich einem totalen Kladderadatsch entgegen. Ich werde nicht gewählt.«
Lorenzen wurde verlegen, denn was Dubslav da zuletzt sagte, das stimmte nur zu sehr mit seiner eignen Meinung. Aber er mußte wohl oder übel, so schwer es ihm wurde, das Gegenteil versichern. »Ihre Wahl, Herr von Stechlin, steht, glaub’ ich, fest; in unsrer Gegend wenigstens. Die Globsower und Dagower gehen mit gutem Beispiel voran. Lauter gute Leute.«
»Vielleicht. Aber schlechte Musikanten. Alle Menschen sind Wetterfahnen, ein bißchen mehr, ein bißchen weniger. Und wir selber machen’s auch so. Schwapp, sind wir auf der andern Seite.«
»Ja, schwach ist jeder, und ich mag mich auch nicht für all und jeden verbergen. Aber in diesem speziellen Falle… Selbst Koseleger schien mir voll Zuversicht und Vertrauen, als er am Donnerstag noch mit mir plauderte.«
»Koseleger voll Vertrauen! Na, dann geht es gewiß in die Brüche. Wo Koseleger Amen sagt, das ist schon so gut wie Letzte Ölung. Er hat keine glückliche Hand, dieser Ihr Amtsbruder und Vorgesetzter.«
»Ich teile leider einigermaßen Ihre Bedenken gegen ihn. Aber was vielleicht mit ihm versöhnen kann, er hat angenehme Formen und durchaus etwas Verbindliches.«
»Das hat er. Und doch, so sehr ich sonst für Formen und Verbindlichkeiten bin, nicht für seine. Man soll einem Menschen nicht seinen Namen vorhalten. Aber Koseleger! Ich weiß immer nicht, ob er mehr Kose oder mehr Leger ist; vielleicht beides gleich. Er ist wie ‘ne Balsertorte, süß, aber ungesund. Nein, Lorenzen, da bin ich doch mehr für Sie. Sie taugen auch nicht viel, aber Sie sind doch wenigstens ehrlich.«
»Vielleicht«, sagte Lorenzen. »Übrigens hat Koseleger inmitten seiner Verbindlichkeiten und schönen Worte doch auch wieder was Freies, beinah Gewagtes und ist mir da neulich mit Bekenntnissen gekommen, fast wie ein Charakter.«
Dubslav lachte hell auf. »Charakter. Aber Lorenzen. Wie können Sie sich so hinters Licht führen lassen. Ich verwette mich, er hat Ihnen irgendwas über Ihre Gaben, gesagt; das ist jetzt so Lieblingswort, das die Pastoren immer gegenseitig brauchen. Es soll bescheiden und unpersönlich klingen und sozusagen alles auf Inspiration zurückführen, für die man ja, wie für alles, was von oben kommt, am Ende nicht kann. Es ist aber gerade dadurch das Hochmütigste… War es so was? Hat er meinen klugen Lorenzen, eh er sich als ›Charakter‹ ausspielte, durch solche Schmeicheleien eingefangen?«
»Es war nicht so, Herr von Stechlin. Sie tun ihm hier ausnahmsweise unrecht. Er sprach überhaupt nicht über mich, sondern über sich und machte mir dabei seine Confessions. Er gestand mir beispielsweise, daß er sich unglücklich fühle.«
»Warum?«
»Weil er in Quaden-Hennersdorf
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