Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
die Hände und klatschte. Ein Geräusch wie ein Donnerschlag hallte durch die Kammer, so laut, dass es einige Ratten erschreckte und ein paar Moskitos herunterfallen ließ. Die Baumwurzeln bebten und wichen zurück.
Die magische Kraft eines Paladins strömte aus den Handschuhen und floss über Gustavs Körper wie Quecksilber. Binnen weniger als zwei Atemzügen war er von Kopf bis Fuß von einer Rüstung umgeben, die im Laternenlicht silbern schimmerte.
Er hob sein Visier. »Ich bin Ritter Gustav Hurensohn«, verkündete er. »Ich bin Paladin von der Gnade des Königs von Vinnengael, Giovin des Zweiten. Ich habe mich im Jahr 149 nach dem Fall von Alt-Vinnengael der Verwandlung unterzogen. Damals erhielt ich meine gesegnete Rüstung und meine Berufung als Lord des Suchens. Dieser Berufung entsprechend habe ich lange geforscht und gesucht um zu finden, was seit zweihundert Jahren verloren ist. Ich suche jenen Teil des Steins der Könige, den König Tamaros von den Göttern erhalten hat und den er dann in die Hände seines ältesten Sohns weitergab, an Prinz Helmos, den Lord des Kummers.«
Dann schwieg er, wartete darauf, welche Reaktion er mit seinen Worten hervorrief, und noch wichtiger, wie die Erdmagie auf die gesegnete Rüstung eines Paladins reagierte.
Die roten Augen der Ratten blinzelten wie zweifelnd. Das hektische Pfeifen und Schnattern erstarb. Die Baumwurzeln hingen wieder schlaff, obwohl ihre Enden noch zuckten. Die Stechmücken summten an ihm vorbei, griffen aber nicht an. Die Wächter blieben weiterhin feindselig, aber zumindest hörten sie ihm zu.
Gustav ging einen weiteren Schritt vorwärts, um zu zeigen, dass er keine Angst hatte, um zu demonstrieren, dass er aus ganzem Herzen glaubte, ein Recht auf seine Anwesenheit zu haben. Er machte einen weiteren Schritt, dann noch einen, und nun befand er sich inmitten der Ratten. Er brauchte kein Laternenlicht mehr. Seine Rüstung strahlte ihren eigenen Lichtschein aus, rein und silbern. Die Nager wichen vor ihm zurück, ließen ihn durch, aber hinter ihm schlossen sich ihre Reihen wieder. Die Moskitos blieben in der Nähe. Die Wurzeln schwankten unheilverkündend, streiften ihn im Vorübergehen, nur um ihn wissen zu lassen, dass die geheimnisvolle Macht, die diesen Ort bewachte, noch nicht vollkommen überzeugt war.
»Weshalb bin ich hier? Ich suche den gesegneten Stein der Könige«, erklärte er. »Nicht für mich selbst. Ich bin ein alter Mann. Meine Tage sind gezählt. Mein Tod steht kurz bevor. Ich komme im Namen der Menschheit.
Die Elfen, die Zwerge, die Orks – jedes Volk hat seinen Teil des Steins der Könige, der ihren Paladinen Macht und Segen verleiht. Wir Menschen sind dazu gezwungen, uns mit dem zufriedenzugeben, was an Magie in der Fassung des Steins zurückblieb, die bei der Leiche von König Helmos entdeckt wurde. Wir haben Paladine, aber es werden immer weniger. Immer weniger junge Menschen überleben die Verwandlung. Die Weisen fürchten, falls der Stein der Könige nicht bald entdeckt wird, werden wir die letzten der menschlichen Paladine sein.«
Wieder schwieg Gustav, wartete, lauschte.
Nichts rührte sich, aber alles beobachtete ihn.
Er zog sein Schwert, das den Namen
Bittersüße Erinnerung
trug, aus der Scheide. Die Ratten schnatterten zornig, die Baumwurzeln machten sich zum Zuschlagen bereit. Die Finsternis wurde intensiver und dämpfte sogar das Licht seiner magischen Rüstung.
Gustav nutzte die Waffe nicht, um damit zu drohen. Er kniete am Boden nieder, fasste die Klinge direkt unterhalb des Griffs, und hob das Schwert wie jemand, der es anbietet.
»Wächter des Steins der Könige, seht in mein Herz und erkennt die Wahrheit. Ich habe den größten Teil meines Lebens nach dem Stein gesucht. Gewährt ihn mir. Ich schwöre, dass ich ihn mit meinem Leben beschützen werde. Ich werde ihn sicher zu meinem Volk bringen, das diese gesegnete Macht niemals dringender gebraucht hat.«
Eine unsichtbare Hand zog den Vorhang aus Dunkelheit zurück. Vor Gustav lag der gut erhaltene Leichnam eines Bahk auf einer bunten Decke und sah beinahe so aus, als wäre er erst gestern begraben worden und nicht schon vor hundert Jahren. Der Bahk war riesig, einer der größten, die Gustav je gesehen hatte. Er maß von seinen beiden enormen Füßen bis zu seinem verhornten Kopf mindestens fünfundzwanzig Fuß. Die Pecwae hatten sich gut um ihren Beschützer gekümmert; er war zum Zeitpunkt seines Todes wohlgenährt gewesen. Die vorstehende Schnauze
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