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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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klatschten, bis der Tanz nochmals gespielt wurde und ich nochmals eifrig, verliebt und andächtig den Ritus vollzog.
    Als der Tanz zu Ende war, allzu früh, zog das schöne Sammetmädchen sich zurück, und plötzlich stand Hermine neben mir, die uns zugesehen hatte.
    «Merkst du was?» lachte sie lobend. «Hast du entdeckt, daß Frauenbeine keine Tischbeine sind? Na, bravo! Den Fox kannst du jetzt, Gott sei Dank, morgen gehen wir auf den Boston los, und in drei Wochen ist Maskenball in den Globussälen.»
    Es war Tanzpause, wir hatten uns gesetzt, und nun kam auch der hübsche junge Herr Pablo, der Saxophonbläser, nickte uns zu und setzte sich neben Hermine. Er schien mit ihr sehr gut Freund zu sein. Mir aber, gestehe ich, wollte bei jenem ersten Zusammensein dieser Herr durchaus nicht gefallen. Schön war er, das war nicht zu leugnen, schön von Wuchs und schön von Gesicht, weitere Vorzüge aber konnte ich an ihm nicht entdecken. Auch das mit der Vielsprachigkeit 107
    machte er sich leicht, er sprach nämlich überhaupt nichts, nur Worte wie bitte, danke, jawohl, gewiß, hallo und ähnliche, die er allerdings m mehreren Sprachen konnte. Nein, er sprach nichts, der Senor Pablo, und er schien auch nicht eben viel zu denken, dieser hübsche Caballero. Seine Beschäftigung war das Saxophonblasen in der Jazzkapelle, und diesem Berufe schien er mit Liebe und Leidenschaft obzuliegen, manchmal klatschte er während des Musizierens auch plötzlich in die Hände oder erlaubte sich andere Begeisterungsausbrüche, stieß etwa laute gesungene Worte aus wie: «o o o o, ha ha, hallo!» Sonst aber war er sichtlich zu nichts andrem in der Welt, als um schön zu sein, den Frauen zu gefallen, die Kragen und Schlipse neuester Mode zu tragen, auch viele Ringe an den Fingern. Seine Unterhaltung bestand darin, daß er bei uns saß, uns anlächelte, auf seine Armbanduhr sah und Zigaretten drehte, worin er sehr geschickt war. Seine dunklen schönen Kreolenaugen, seine schwarzen Locken verbargen keine Romantik, keine Probleme, keine Gedanken — aus der Nähe besehen war der schöne exotische Halbgott ein vergnügter und etwas verwöhnter Junge mit angenehmen Manieren, nichts weiter. Ich sprach mit ihm über sein Instrument und über Klangfarben in der Jazzmusik, er mußte sehen, daß er es mit einem alten Genießer und Kenner in musikalischen Dingen zu tun habe. Aber darauf ging er gar nicht ein, und während ich, aus Höflichkeit gegen ihn oder eigentlich gegen Hermine, etwas wie eine musiktheoretische Rechtfertigung des Jazz unternahm, lächelte er harmlos an mir und meinen Anstrengungen vorüber, und vermutlich war es ihm völlig unbekannt, daß es vor und außer Jazz auch noch einige andere Musik gegeben habe. Nett war er, nett und artig, hübsch lächelte er aus seinen großen leeren Augen; aber zwischen ihm und mir schien es nichts Gemeinsames zu geben — nichts von dem, was ihm etwa wichtig und heilig war, könnte es auch für mich sein, wir kamen aus entgegengesetzten Erdteilen, hatten kein Wort unsrer Sprachen gemeinsam. (Aber später erzählte mir Hermine Merkwürdiges. Sie erzählte, daß Pablo nach jenem Gespräch ihr über mich gesagt habe, sie möchte doch mit diesem Menschen recht sorgsam umgehen, er sei ja so sehr unglücklich. Und als sie fragte, woraus er das schließe, habe er gesagt: «Armer, armer Mensch. Sieh seine Augen an! Kann nicht lachen.»)

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    Als nun der Schwarzäugige sich empfohlen hatte und die Musik wieder anfing, stand Hermine auf. «Jetzt könntest du wieder einmal mit mir tanzen, Harry. Oder magst du nicht mehr?»
    Auch mit ihr tanzte ich nun leichter, freier und fröhlicher, wenn auch nicht so unbeschwert und selbstvergessen wie mit jener andern. Hermine ließ mich führen und paßte sich zart und leicht wie ein Blumenblatt an, und auch bei ihr fand und fühlte ich jetzt alle jene bald entgegenkommenden, bald wegfliehenden Schönheiten, auch sie duftete nach Weib und Liebe, auch ihr Tanz sang zart und innig das holde lockende Lied des Geschlechts — und doch konnte ich auf dies alles nicht ganz frei und heiter antworten, konnte mich nicht völlig vergessen und hingeben. Hermine stand mir allzu nah, sie war mein Kamerad, meine Schwester, war meinesgleichen, sie glich mir selbst und glich meinem Jugendfreund Hermann, dem Schwärmer, dem Dichter, dem glühenden Genossen meiner geistigen Übungen und Ausschweifungen.
    «Ich weiß es», sagte sie nachher, als ich davon sprach, «ich weiß es wohl. Ich

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