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Der Steppenwolf

Der Steppenwolf

Titel: Der Steppenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Leben wird auch dadurch nicht flach und dumm, wenn du weißt, daß dein Kampf erfolglos sein wird. Es ist viel flacher, Harry, wenn du für etwas Gutes und Ideales kämpfst und nun meinst, du müssest es auch erreichen. Sind denn Ideale zum Erreichen da?
    Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön. Du bist ein Kind, Harry.
    Sei jetzt folgsam und komm mit mir, wir haben heut viel zu tun. Ich werde mich heut nicht mehr um den Krieg und die Zeitungen kümmern. Und du?»
    0 nein, auch ich war bereit.

103
    Wir gingen zusammen — es war unser erster gemeinsamer Gang in der Stadt
    — in ein Musikaliengeschäft und sahen Grammophone an, klappten sie auf und zu, ließen sie uns vorspielen, und als wir eines davon sehr passend und nett und wohlfeil gefunden hatten, wollte ich es kaufen, aber so schnell war Hermine nicht fertig. Sie hielt mich zurück, und ich mußte erst noch einen zweiten Laden mit ihr aufsuchen und auch dort alle Systeme und Größen vom teuersten bis zum billigsten ansehen und anhören, und erst jetzt war sie damit einverstanden, in den ersten Laden zurückzugehen und den dort gefundenen Apparat zu kaufen.
    «Siehst du», sagte ich, «das hätten wir einfacher haben können.»
    «Meinst du? Und dann hätten wir vielleicht morgen den gleichen Apparat in einem andern Schaufenster um zwanzig Franken billiger ausgestellt gesehen.
    Und außerdem macht Einkaufen Spaß, und was Spaß macht, muß man auskosten. Du mußt noch viel lernen.»
    Mit einem Dienstmann brachten wir unsern Einkauf in meine Wohnung.
    Hermine betrachtete mein Wohnzimmer genau, lobte den Ofen und den Diwan, probierte die Stühle, nahm Bücher in die Hand, blieb lang vor der Photographie meiner Geliebten stehen. Das Grammophon hatten wir zwischen Bücherhaufen auf eine Kommode gestellt. Und nun begann mein Unterricht. Sie ließ einen Foxtrott spielen, machte mir die ersten Schritte vor, nahm meine Hand und begann, mich zu führen. Ich trabte gehorsam mit, stieß an Stühle, hörte auf ihre Befehle, verstand sie nicht, trat sie auf die Füße und war ebenso ungeschickt •wie pflichteifrig. Nach dem zweiten Tanz warf sie sich in den Diwan und lachte wie ein Kind.
    «Mein Gott, wie steif du bist! Geh doch einfach vor dich hin, wie wenn du spazierengehst! Anstrengungen sind gar nicht nötig. Ich glaube, dir ist sogar schon heiß geworden? Na, ruhen wir fünf Minuten aus! Schau, das Tanzen ist, wenn man es kann, gerade so einfach wie das Denken, und zu lernen ist es viel leichter. Du wirst jetzt weniger ungeduldig darüber werden, daß die Menschen sich das Denken nicht angewöhnen wollen, sondern lieber den Herrn Haller einen Landesverräter heißen und ruhig den nächsten Krieg kommen lassen.»
    Nach einer Stunde ging sie fort, mit der Versicherung, das nächste Mal werde es schon besser gehen. Ich dachte darüber anders und war sehr enttäuscht über 104
    meine Dummheit und Schwerfälligkeit, ich hatte, wie mir schien, in dieser Stunde überhaupt nichts gelernt und glaubte nicht daran, daß es ein andermal besser gehen werde. Nein, zum Tanzen mußte man Fähigkeiten mitbringen, die mir vollkommen fehlten: Fröhlichkeit, Unschuld, Leichtsinn, Schwung. Nun, ich hatte es mir ja längst gedacht.
    Aber siehe, beim nächsten Mal ging es in der Tat besser und begann mir sogar Spaß zu machen, und am Schluß der Stunde behauptete Hermine, den Foxtrott könne ich jetzt. Aber als sie daraus folgerte, nun müsse ich morgen mit ihr in einem Restaurant tanzen gehen, erschrak ich heftig und wehrte mich mit Leidenschaft. Kühl erinnerte sie mich an mein Gelübde des Gehorsams und bestellte mich für morgen zum Tee ins Hotel Balances.
    An jenem Abend saß ich zu Hause, wollte lesen und konnte nicht. Ich hatte Angst vor morgen; der Gedanke war mir entsetzlich, daß ich alter, scheuer und empfindlicher Sonderling nicht nur eines dieser öden modernen Tee und Tanzlokale mit Jazzmusik besuchen, sondern mich dort unter den fremden Menschen als Tänzer zeigen sollte, ohne noch irgend etwas zu können. Und ich gestehe, daß ich über mich selber lachte und mich vor mir selber geschämt habe, als ich allein in meinem stillen Studierzimmer den Apparat aufzog und laufen ließ und leise, auf Socken, die Schritte meines Fox repetierte.
    Im Hotel Balances andern Tages spielte eine kleine Kapelle, es wurde Tee und

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