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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Leute wider.
    Nur wenige wurden in das Grab eingelassen, und diese wenigen wurden von Pater Cuthbert ausgesucht und an den Bewaffneten vorbeigeführt, die den Eingang des Erdhügels aus der Alten Zeit bewachten. Es waren meine Männer, angeführt von Rypere, aber das Banner, das nahe dem Eingang auf der Spitze des Hügelgrabes wehte, war Æthelflæds Flagge, die eine recht unansehnliche Gans zeigte, der es irgendwie gelang, mit einem schwimmhäutigen Fuß ein Kreuz und mit dem anderen ein Schwert zu halten. Æthelflæd war überzeugt, von Sankt Werburgh beschützt zu werden, so wie die Heilige einst ein Weizenfeld beschützt hatte, indem sie eine hungrige Schar Gänse daraus vertrieb. Das sollte ein Wunder sein, und wenn es eines war, dann war auch ich ein Wunderwirker, aber ich war klug genug, das nicht zu Æthelflæd zu sagen. Das Gänsebanner ließ darauf schließen, dass die Wachen Æthelflæd gehörten, und jeder, der in das Grab eingelassen wurde, hatte den Eindruck, es stünde unter Æthelflæds Schutz, und das war auch besser so, denn niemand hätte Uhtred dem Gottlosen die Bewachung eines christlichen Pilgerziels geglaubt. Nachdem die Besucher die Wachen hinter sich hatten, kamen sie zum Eingang der Grabstätte, der bei Dunkelheit von trüben Binsenlichtlein erhellt war. Deren Schimmer fiel auf zwei Schädelhaufen, einer an jeder Seite der niedrigen, höhlenartigen Öffnung. Cuthbert kniete sich mit den Pilgern hin, betete mit ihnen, und dann hieß er sie, Waffen und Kettenhemden abzulegen. «Niemand kann in Kriegsausrüstung vor einen Engel treten», sagte er streng, und nachdem sie ihm gehorcht hatten, gab er ihnen einen Silberbecher mit einem Trunk. «Trinkt es ganz leer», wies er sie an.
    Ich habe diesen Sud, den Ludda zubereitet hatte, nie gekostet. Meine Erinnerung an Ælfadells Trank war mir mehr als genug. «Es schenkt einem Träume, Herr», erklärte Ludda bei einem meiner seltenen Besuche in Turcandene.
    Æthelflæd war mitgekommen und bestand darauf, an dem Trank zu riechen. «Er schenkt einem Träume?», fragte sie.
    «Und man muss sich ein- oder zweimal übergeben, Herrin», sagte Ludda, «aber man träumt auch.»
    Nicht, dass sie Träume nötig gehabt hätten, denn wenn sie den Becher erst einmal geleert hatten und wenn Cuthbert den unbestimmten Blick in ihren Augen aufsteigen sah, ließ er sie in den langen Durchgang des Grabes kriechen. Dort drinnen sahen sie die Steinwände und an jeder Seite die Kammern mit den aufgehäuften Knochen, alles matt erhellt von den Binsenlichtern, aber vor ihnen waren die Engel. Drei Engel, nicht zwei, saßen dicht beieinander am Ende des Durchgangs, prächtig umrahmt von den Federn ihrer Flügel. «Ich habe drei genommen, weil die Drei eine heilige Zahl ist», hatte Cuthbert erklärt, «ein Engel für jedes Glied der Dreifaltigkeit.»
    Die Gänsefedern waren an den Fels geklebt. Sie bildeten Fächer, die in dem schummrigen Licht leicht für Flügel gehalten werden konnten. Es hatte Ludda einen ganzen Tag gekostet, die Federn anzuordnen, und dann mussten die drei Mädchen ihre Aufgabe erlernen, was beinahe einen Monat gedauert hatte. Wenn ein Besucher kam, stimmten sie leisen Gesang an. Cuthbert hatte sie diese Musik gelehrt, die zart und träumerisch klang, kaum lauter als ein Summen und ohne Worte, nur ein Geräusch, das in diesem engen Steingelass widerhallte.
    Mehrasa war der Engel in der Mitte. Ihre dunkle Haut, ihr schwarzes Haar und ihre Jett-Augen ließen sie rätselhaft wirken, und Ludda hatte die Rätselhaftigkeit durch einige Rabenfedern gesteigert, die er zwischen die weißen Federn gesteckt hatte. Alle drei Mädchen waren in schlichtes Weiß gewandet, und die schwarze Mehrasa trug noch eine Goldkette um den Hals. Die Männer betrachteten die drei Mädchen bewundernd – kein Wunder, denn sie waren schön. Die zwei aus dem Frankenreich waren beide sehr blond und hatten große blaue Augen. Sie waren Traumgesichte in diesem düsteren Grab, wenn beide auch zu Anfällen von Gekicher neigten, wie mir Ludda erzählte, wo sie doch überaus ernst und feierlich wirken sollten.
    Die Besucher nahmen das Kichern offenbar nie wahr. Eine seltsame Stimme, nämlich Luddas, schien aus dem Felsgestein zu dringen. Ludda verkündete in einem Sprechgesang, dass der Besucher vor den Engel des Todes und die beiden Engel des Lebens getreten war und dass er seine Fragen an alle drei richten und auf eine Antwort warten solle.
    Diese Fragen waren höchst bedeutend, weil wir

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