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Der sterbende König (German Edition)

Der sterbende König (German Edition)

Titel: Der sterbende König (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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weiterreichten. Sie schlugen weiter mit ihren Waffen auf die Schilde aus Weidenholz, und der langsam heraufziehende Tag warf lange Schatten über den bereiften Boden. Ich hatte Reiter nach Osten ziehen sehen und wusste, dass sie nach einem Weg suchten, einen Bogen um meine Flanke zu schlagen, doch um diese Männer machte ich mir keine Gedanken, denn ich hatte genügend Truppen zu ihrer Abwehr. Ich musste nur den Dänen vor mir standhalten, bis Edward kam, um die hinter mir zu töten.
    Priester gingen an unserer Kampflinie entlang. Männer knieten sich vor sie, und die Priester segneten sie und streuten ihnen Erdkrumen auf die Zunge. «Heute ist der Luciatag», rief einer der Priester den Kriegern zu, «Sankt Lucia wird den Feind blenden! Sie wird uns beschützen! Gesegnet sei Sankt Lucia! Betet zu Sankt Lucia!»
    Es hatte aufgehört zu regnen, doch der größte Teil des winterlichen Himmels war noch mit Wolken verhangen, unter denen die Farben der gegnerischen Banner leuchteten. Sigurds fliegender Rabe und Cnuts zerschmettertes Kreuz, Æthelwolds Hirsch und Beortsigs Keiler, Haestens Schädel und Eohrics seltsame Bestie. Es gab auch einige weniger bedeutende Jarle in den gegnerischen Reihen, und sie hatten ihre eigenen Zeichen: Wölfe und Äxte und Bullen und Falken. Ihre Männer brüllten Beleidigungen und schlugen die Waffen an die Schilde, und langsam kamen sie voran, einen Schritt nach dem anderen. Die Sachsen und Ostanglier der gegnerischen Armee wurden von ihren Priestern ermutigt, während die Dänen Thor und Odin anriefen. Die meisten meiner Männer erwarteten den Feind schweigend, allerdings wurde mit so manchem derben Scherz versucht, die Angst zu überspielen. Herzen schlugen schneller, Blasen entleerten sich, Muskeln begannen zu zittern. Das war der Schildwall.
    «Denkt daran», rief der Priester aus Cent, «dass Sankt Lucia so vom Heiligen Geist erfüllt war, dass nicht einmal zwanzig Männer sie von der Stelle bewegen konnten! Dann haben sie ein Ochsengespann an sie geschirrt, und sie konnte immer noch nicht fortbewegt werden! So müsst ihr sein, wenn die Heiden kommen! Standfest, unbeweglich! Erfüllt vom Heiligen Geist! Kämpft für Sankt Lucia!»
    Vom Marschland heranziehender Nebel hatte die Männer verschluckt, die nach Osten geritten waren. Und es waren so viele Gegner, eine Horde, eine todbringende Horde, und sie kamen immer näher, nur noch hundert Schritt, und Reiter galoppierten vor ihrem dicht verwobenen Schildwall auf und ab und feuerten sie an. Einer dieser Reiter schwenkte zu uns ab. Er trug ein schimmerndes Kettenhemd, dicke Armringe und einen glitzernden Helm, und sein Pferd war ein prachtvolles Geschöpf, frisch gestriegelt und geölt, sein Harnisch aus glänzendem Silber. «Bald seid ihr tot!», schrie der Reiter zu uns herüber.
    «Wenn du furzen willst», rief ich zurück, «dann stink dich auf deiner eigenen Seite aus.»
    «Wir schänden eure Frauen», schrie der Mann. Er sprach Englisch. «Wir schänden eure Töchter!»
    Ich war recht zufrieden, dass er solcherlei Hoffnungen zu uns herüberrief, denn sie würden meine Männer nur dazu bringen, noch erbitterter zur kämpfen. «Und was war deine Mutter?», schrie einer der Männer aus Cent ihm zu. «Eine Sau?»
    «Wenn ihr eure Waffen niederlegt», kam es von dem Mann zurück, «werden wir euch verschonen!» Er ließ sein Pferd umdrehen, und da erkannte ich ihn. Es war Oscytel, Eohrics Befehlshaber, der wild und grausam aussehende Krieger, dem ich auf Lundenes Wallmauer begegnet war.
    «Oscytel!», rief ich.
    «Ich höre ein Lamm blöken!», schrie er zurück.
    «Steig ab», sagte ich laut und trat einen Schritt vor, «und kämpfe gegen mich.»
    Er ließ die Hände auf dem Sattelknauf ruhen und starrte mich an, dann ließ er seinen Blick über den überfluteten Graben schweifen, auf dem eine zarte Eiskruste lag. Ich wusste, dass er deshalb gekommen war, es ging weniger darum, uns zu beleidigen, als darum, zu sehen, mit welchen Hindernissen der dänische Angriff zu rechnen hatte. Er richtete seinen Blick wieder auf mich und grinste. «Ich kämpfe nicht gegen alte Männer», sagte er.
    Das war eigenartig. Nie zuvor hatte mich jemand alt genannt. Ich weiß noch, dass ich lachte, aber hinter diesem Lachen verbarg sich ein Erschrecken. Wochen zuvor, im Gespräch mit Æthelflæd, hatte ich mich über sie lustig gemacht, weil sie ihr Gesicht lange in einer großen, polierten Silberplatte angeschaut hatte. Sie war bekümmert, weil sie Falten

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