Der sterbende König (German Edition)
zwei Krönungen geben würde, eine in Wessex und eine in Mercien, und er musste gewusst haben, dass Edward dies alles bewusst war. Was Æthelred im Weg stand, war zum einen seine Frau, die in ganz Mercien geliebt wurde und deren Macht er zu brechen versucht hatte, indem er sie im Kloster Sankt Hedda einschloss. Und das andere Hindernis war der Geliebte seiner Frau.
«Herr Uhtred.» Edward hatte die Augen aufgeschlagen, auch wenn seine Hände noch gefaltet blieben.
«Herr?», erwiderte ich fragend.
«Bleibt Ihr zur Beerdigung?»
«Wenn Ihr es wünscht, Herr.»
«Ich wünsche es. Und dann müsst Ihr auf Euren Besitz in Fagranforda», fuhr er fort. «Ich bin sicher, dass Ihr dort viel zu tun habt.»
«Ja, Herr.»
«Der Herr Æthelred», fuhr Edward fest und laut fort, «wird einige Wochen als mein Berater hierbleiben. Ich benötige kluge Ratschläge, und ich kann mir niemand Geeigneteren denken, von dem ich sie erhalten könnte.»
Das war eine Lüge. Jeder dahergelaufene Schwachkopf hätte Edward besser beraten als Æthelred, und es versteht sich, dass Edward keineswegs den Rat meines Cousins wollte. Aber er wollte Æthelred dort haben, wo er ihn im Blick hatte, wo es für Æthelred schwierig wäre, die Leute aufzuwiegeln, und mich schickte er nach Mercien, weil er mir zutraute, Mercien weiter an der westsächsischen Leine zu halten. Und weil er wusste, dass seine Schwester, wenn ich nach Mercien ginge, dies ebenfalls tun würde. Ich wahrte eine sehr ernste Miene.
Ein Sperling flog durch das hohe Deckengewölbe der Kirche, und was er fallen ließ, feucht und weiß, landete auf Alfreds totem Gesicht und bespritzte ihn von der Nase bis über die linke Wange.
Das war ein so schlechtes, so schreckliches Omen, dass jeder Mann um den Sarg den Atem anhielt.
Und in eben diesem Moment kam eine von Steapas Wachen in die Kirche und hastete den langen Mittelgang hinauf, aber nicht, um sich hinzuknien. Stattdessen blickte der Mann von Edward zu Æthelred und von Æthelred zu mir, und er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte, bis ihn Steapa knurrend anwies, endlich zu reden.
«Die Herrin Æthelflæd», brachte er heraus.
«Was ist mit ihr?», fragte Edward.
«Der Herr Æthelwold hat sie mit Gewalt geholt, Herr, aus dem Kloster. Hat sie mitgenommen, Herr. Und sie sind fort.»
Der Kampf um Wessex hatte begonnen.
Sieben
Æthelred lachte. Vermutlich war ihm dieses Lachen nur in der Anspannung entschlüpft, aber in dieser alten Kirche echote das Geräusch höhnisch von den niedrigeren Steinwänden zurück. Als der Klang verhallt war, vernahm ich nur noch das Tropfen, mit dem Regenwasser durch das aufgeweichte Strohdach auf den Boden fiel.
Edward sah mich an, dann Æthelred und schließlich Æthelhelm. Er schien verwirrt.
«Wohin ist Herr Æthelwold gegangen?», fragte Steapa.
«Die Nonnen sagen, er wollte nach Tweoxnam», sagte der Bote.
«Aber er hat mir den Treueid geschworen!», empörte sich Edward.
«Er war schon immer ein Lügenmaul», sagte ich. Dann sah ich den Mann an, der die Nachricht gebracht hatte. «Er hat also den Nonnen gesagt, er geht nach Tweoxnam?»
«Ja, Herr.»
«Dasselbe hat er mir erzählt», sagte ich.
Edward nahm sich zusammen. «Ich will alle Männer bewaffnet in den Sätteln sehen», erklärte er Steapa. «Sie sollen sich bereit machen, um nach Tweoxnam zu reiten.»
«Ist das sein einziger Besitz, Herr König?», fragte ich.
«Er hat auch noch Wimburnan», sagte Edward. «Warum?»
«Ist nicht sein Vater in Wimburnan beigesetzt?»
«Ja.»
«Dann ist er dorthin gegangen», sagte ich. «Er hat Tweoxnam nur erwähnt, um uns zu verwirren. Wenn man jemanden entführt, erzählt man den Verfolgern nicht, wohin man ihn bringt.»
«Aber warum sollte er Æthelflæd entführen?» Erneut war Edward ratlos.
«Weil er Mercien auf seiner Seite haben will», sagte ich. «Ist sie ihm freundlich gesinnt?»
«Freundlich? Darum haben wir uns alle bemüht», sagte Edward. «Er ist unser Cousin.»
«Er glaubt, dass er sie davon überzeugen kann, Mercien auf seine Seite zu bringen», vermutete ich laut und fügte nicht hinzu, dass es wohl nicht bei Mercien allein bleiben würde. Wenn sich Æthelflæd auf die Seite ihres Cousins stellte, würden ihn wohl auch in Wessex viele unterstützen.
«Gehen wir nun nach Tweoxnam?», fragte Steapa unsicher.
Edward zögerte, dann schüttelte er den Kopf und sah mich an. «Die beiden Orte liegen nahe beieinander», sagte er immer noch zögerlich, doch dann
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