Der Stern des Untergangs
– waren so: langsam, aber unausweichlich. Was sind einem, der schon immer lebte, denn zehn Jahre? Wie kann er zehn Jahre messen? So wie wir Tränen oder Sandkörner? Was bedeutet uns beispielsweise das ganze Leben einer Eintagsfliege?«
»Dann muss es vernichtet werden!« erklärte Sonja grimmig.
»Wenn möglich, ja. Zumindest aber von Thotas befreit und in die Leere zwischen den Sternen zurückgeschickt! Thotas’ Zauberbann um es muss gebrochen werden, wenn wir die Welt retten wollen.«
»Aber – wie können wir das?« fragte Sonja. »Wenn der Stern so mächtig ist, und wenn Thotas und sein Orden seine Kräfte lenken …«
»Vielleicht mit einer der kostbarsten Kräfte, die Zauberern bekannt ist«, beantwortete Ban-Itos Sonjas Frage, blickte dabei jedoch Daron an. »In seinem Leben ist die Magie eines Zauberers durch seine irdische, körperliche Existenz beschränkt. In seinem Tod dagegen kennen seine Kräfte keine Grenzen, wenn sie richtig angewandt werden.«
Daron starrte ihn an, aber er verstand bereits. Es ging um etwas Elementares! Weshalb sonst sammelten Zauberer die Gebeine oder den Staub längst toter Hexer oder zauberbehafteter Dinge? Weshalb sonst war eine Haarsträhne, ein Stück Fingernagel, ein weißgebleichter Knochen so mächtig? Oder – die Asche eines Zauberers? Ja – Asche …
»Euer Vater ist tot«, sagte Ban-Itos ernst zu Daron.
»Sofort verkohlt«, erklärte Daron, »als die Kräfte seiner Zauberei über ihm zusammenbrachen.«
»Doch seine Asche ist übrig geblieben?«
Daron nickte. »Und sie glüht immer noch blau von der Kraft dessen, was er heraufbeschworen hatte – was er ins Leben rufen wollte.«
»Wir werden diese Asche brauchen.«
Überrascht blickte Sonja von einem zum anderen.
»Daron«, fuhr Ban-Itos fort. »Ich muss diese Asche an mich nehmen. Ich muss sie benutzen. Ich werde sie brauchen, um Thotas vernichten zu können. Aber es wäre mir viel lieber, wenn ich es mit Eurem Einverständnis und Eurer Unterstützung tun könnte. Gebt Ihr mir die Asche Eures Vaters, damit Ihr und ich – nein, wir drei – unseren Pakt besiegeln und die Welt von diesem Übel befreien können?«
Daron schien lange darüber nachzudenken, doch in Wirklichkeit hatte er sich bereits entschieden. »Ich muss mich«, sagte er schließlich, »Euren Wünschen beugen, Ehrwürdiger. Ich habe mich entschlossen, diese Reise zu machen, um Bo-ugan in seinem Kampf unterstützen zu können und um meinen Vater zu suchen. Ich habe ihn gefunden. Vielleicht ist seine Asche die Antwort – das Bindeglied zwischen beiden Gründen meiner Reise.«
»Ihr seid weise und gut.« Ban-Itos legte seine Handflächen gegeneinander und verneigte sich in dem alten Gruß zwischen gleichgesinnten Seelen.
»Nicht so sehr weise«, entgegnete Daron, »obgleich ich vielleicht lerne. Und gut? Gut für ein paar Dinge, nehme ich an. Ihr überwältigt mich mit Eurer Schlichtheit und Ehrlichkeit.«
»Wenn Ihr von mir lernen könnt, junger Mann, dann tut es, denn ich versuche von Euch zu lernen.« Nach diesem Kompliment erhob der alte Zauberer sich und ging die paar Stufen zu Daron, um ihm die Hand entgegenzustrecken.
Daron blickte zu ihm hoch, dann erhob er sich langsam und griff zögernd nach Ban-Itos Arm über dem Handgelenk, genau an der Stelle, wo der Greis seinen nahm. Ein ehrfürchtiger Schauder durchzog Daron, als er in die Augen des alten Mannes blickte, doch konnte er nicht sicher sein, ob das, was er in ihnen sah, wahrhaftig dort oder nur eine Spiegelung seiner eigenen Erschöpfung war. Er neigte sich näher zu dem Zauberer und presste sein Gesicht an Ban-Itos’ Schulter.
Gerührt von Darons Gefühlsaufwallung, erhob sich Sonja.
»Ich wurde aus Verderbtheit geboren«, wisperte Daron dem Greis mit rauer Stimme zu. »Weist mir den Weg, Vater Itos. Emoi sedoli ai su dilu’um, pos Itos-ban!«
»Es ist geschehen!« versicherte der Greis ihm in beruhigendem Ton. »Ihr seid gekommen, um Hilfe zu suchen, und Ihr habt sie gefunden – wie ich auch.« Er blickte über Darons Schulter, als der junge Mann ihn umarmte, und sah im Osten die Sonne in all ihrer Pracht aufgehen, und tief im Westen, wo der Mond versank, den roten Planeten Nilitu.
»Seht her, Daron kos Odurac«, sagte er und löste sich sanft von ihm. Er deutete gen Osten, dann nach Westen. »Die Sonne, die Göttin der Lebenskraft, schickt uns ihre Strahlen, dagegen gehen der Mond und Nilitu unter, die Zwillinge der Schatten und Finsternis. Im ewigen Kampf gegen
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