Der Stern des Untergangs
in der Nacht, ehe sie Bo-ugans Dorf erreichten –, und auf Sonja drückte eine Ahnung drohenden Unheils, nur wusste sie nicht, welcher Art es war.
Flüchtig zeigte sich die untergehende Sonne zwischen dem Horizont und der merkwürdigen Wolkendecke. Fakeln und Krähen kreisten hoch an dem düsteren, bleifarbenen Himmel. Eine Brise kräuselte das Wasser des Flusses, dass es an die hässlichen Bauchschuppen eines alten Drachen erinnerte.
Die Bäume hier waren still und laublos, die Wiesen verdörrt, und Staub wehte über sie. Kein Leben zeigte sich auf den Feldern, auch nicht bei den Hütten und Schützengräben dort, wohl aber ein wenig auf der Brustwehr der Mauer um Bo-ugans Dorf: die dort ihre Runden ziehenden Posten. Sonja, Daron und Ban-Itos, die an der Spitze ihrer Armee ritten und die der pfeifende Wind peitschte, fühlten sich immer unbehaglicher.
»Etwas stimmt hier nicht«, sagte Sonja und sprach damit aus, was alle fühlten.
»Ja …« Daron hob den Kopf, schaute zum eisengrauen Himmel hoch, dann über den leicht aufgewühlten Fluss zur Zikkurat, die sich riesig und finster jenseits des dürren Grases erhob. Sein Blick traf Ban-Itos’. Der Greis nickte ernst.
Als sie sich dem Tor in der Mauer näherten, ritt Sonja voraus, um den Anruf des Postens auf der Brustwehr zu erwidern. »Wer da?« rief er. »Was ist das für eine Armee?«
»Ich bin die Rote Sonja von Hyrkanien«, rief sie zu ihm hoch. »Ich komme mit Daron, dem freien Schwertkämpfer, zurück. Wir brachen vor nicht ganz sechs Wochen von hier auf, um eine Armee zusammenzustellen – nun haben wir es geschafft, öffne das Tor, Soldat.«
Er blickte sie unentschlossen an. Einige Kameraden kamen den Wehrgang entlang zu ihm gerannt.
»öffnet das Tor, verdammt!« schrie Sonja ungeduldig, während Daron herbeiritt und neben ihr stehen blieb. »Wir müssen mit Bo-ugan sprechen.«
Einige der Männer stiegen die Stufen von der Mauer hinunter. Nach einer längeren Weile rief der Posten Sonja zu: »Ihr und Euer Begleiter dürft eintreten. Die Armee muss warten!«
»Was ist denn los mit Euch? Diese Armee ist für Bo-ugan!«
»Sie muss warten, Sonja von Hyrkanien.« Die Stimme des Wachmanns klang angespannt und streng.
Sonja schaute Daron an. Er wirkte beunruhigt. »Warte«, sagte er zu ihr.
Er ritt zu Ban-Itos und den Abteilungsführern ihrer Armee und sprach kurz zu ihnen. Dann kehrte er zu Sonja zurück. Ban-Itos schritt hinter ihm her.
»öffnet das Tor!« rief Daron nunmehr. »Wir drei werden eintreten.«
Die Soldaten auf der Mauer riefen hinunter, und langsam schwang das Tor auf. Sonja, Daron und Ban-Itos traten heran. Als sie durch das Tor schritten, sagte Sonja verärgert:
»Was ist los mit euch, ihr Zauderer? Unsere Männer sind müde und hungrig. Sie sind gekommen, um für Bo-ugan zu kämpfen …«
Sie hielt inne und schaute sich auf dem Platz vor dem Tor um. Er war fast leer. Keine Soldaten standen oder spazierten wie sonst herum, keine Bürger, ja nicht einmal Tiere waren zu sehen, lediglich ein paar Wachen, die müde und hungrig aussahen. Eine plötzliche Brise wirbelte Staub auf und spielte mit zerbrochenen Fensterläden in einer leeren Gasse.
»Was ist hier denn passiert?« fragte Daron einen der Soldaten.
»Tot. Alle tot …« Die Augen des Mannes lagen tief in den dunklen Höhlen. »Tot …«
»Durch Hexerei?« erkundigte sich Sonja.
Der Mann zuckte die Schulter. »Unsere Leute begannen zu sterben … Viele desertierten … Ganze Familien verließen das Dorf und fuhren flussabwärts. Tiere verrecken, Kinder sterben. Wir waren Narren – Narren …«
Sonja spürte den aufsteigenden Ärger. »Wie lange schon?«
»Wochen. Es begann vor Wochen – etwa vor einem Monat …« Er sah aus, als könnte er sich kaum auf den Beinen halten, und selbst das Sprechen bedeutete eine Anstrengung für ihn.
Sonja atmete tief ein. »Bring uns zu Bo-ugan. Wir müssen mit ihm sprechen. Sofort!«
»Er ist krank«, antwortete der Mann stumpf. »Bo-ugan ist krank. Auch er stirbt.«
»Verdammt!« brüllte Sonja ihn an. »Bist du ein Mann oder nicht? Hier ist eine Armee, die vor dem Tor wartet, um die Zikkurat zu stürmen und Thotas, den Zauberer, zu töten. Bring uns endlich zu Bo-ugan, Soldat!«
Unbeeindruckt von ihrem Grimm wandte der Wächter sich zu einem anderen Soldaten: »Führ sie zu Bo-ugan!« war alles, was er sagte.
Der zweite Mann, ebenfalls mager und müde und mit einem von Krankheit gezeichneten Gesicht, nickte Sonja, Daron
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