Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
abverlangt. Die Ritterschaft wird sich das nicht mehr gefallen lassen.«
Gespannt wartete Olearius auf die Reaktion des Herzogs. Der Kanzler spielte auf die Verpflichtungen an, die der dänische König dem Land wegen seines außenpolitischen Ehrgeizes auferlegt hatte. Die Schicksale Friedrichs und seines Onkels, König Christian IV . von Dänemark und Herzog von Holstein-Glückstadt, waren eng verbunden. Auf der Seite der Lutheraner hatte der alte König im Großen Krieg die kaiserlich-katholische Liga angegriffen. Und König Christians Niederlage gegen die kaiserliche Armee von 1626 hatte auch die beiden holsteinischen Herzogtümer schwer getroffen. Die Truppen der Liga waren durch den Norden bis nach Jütland gezogen und hatten Tod und Verwüstung hinterlassen, obwohl Herzog Friedrich neutral geblieben war und den Kaiserlichen sogar Festungen zur Verfügung gestellt hatte. Friedrichs Untertanen waren Opfer der komplizierten staatsrechtlichen Gemengelage geworden. Doch wer sollte sich noch auskennen? Selbst Olearius schüttelte darüber den Kopf.
Die Bevölkerung außerhalb der befestigten Städte war besonders gequält worden und das besetzte Land musste das siegreiche Heer ernähren. Auch mancher Adelssitz war beim Vormarsch der Kaiserlichen in Flammen aufgegangen, darunter das prächtige Schloss Breitenburg der Familie Rantzau, deren in ganz Europa berühmte Bibliothek von den Siegern geplündert und fortgeschleppt worden war.
Nachdem der Dänenkönig anno 1629 in Lübeck einen maßvollen Frieden mit dem Kaiser geschlossen hatte und die Kämpfe sich nun überwiegend im Süden des Deutschen Reiches abspielten, hatten die Herzogtümer im Norden sich wieder etwas erholen können. Dennoch waren die Zeiten unruhig, und immer wieder flackerten die Flammen des Krieges am Horizont auf.
Herzog Friedrich schwieg, dann drehte er seinem Kanzler brüsk den Rücken zu, unter der kostbar verzierten Brokatjacke arbeiteten die Schultermuskeln. Unvermittelt wandte er sich an Olearius. »Wie ich hörte, seid Ihr nicht mit leeren Händen zurückgekehrt?«
Verdutzt blickte Olearius den Herzog an. Seit seiner Rückkehr an den Hof hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, der Prozess hatte die ganze Aufmerksamkeit des Herrschers beansprucht. Sprach Herzog Friedrich etwa von seinen Aufzeichnungen?
»Eure fürstliche Durchlaucht?« Olearius räusperte sich verlegen. Wenn nur diese bleierne Müdigkeit nicht wäre, dachte er. Er hatte das Gefühl, dass sein Verstand sich von seinem Körper gelöst hatte, das Denken fiel ihm unendlich schwer. Obwohl er den selbstherrlichen und eitlen Brüggemann nie hatte leiden können, hatte er es doch als seine christliche Pflicht betrachtet, ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten.
»Die Frau, die Ihr Euch aus Reval mitgebracht habt …«, der Herzog zwinkerte nun spöttisch. »Ich hörte, Ihr hättet sie geheiratet.«
»Catharina …« Olearius atmete erleichtert aus. »Ihr habt recht, Durchlaucht. Ich bin nicht mit leeren Händen zurückgekehrt.« Vage wies er auf die Globen und Karten, die den Saal schmückten. »Ich habe eine Frau gefunden und …«
Olearius schwieg einen Moment, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen. »Und ich habe eine Fülle von Aufzeichnungen mitgebracht, bedeutsame Aufzeichnungen, die sich wunderbar in die herzogliche Bibliothek einfügen und Euch als Förderer dieser Expedition auszeichnen würden.«
Herzog Friedrich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Über den buschigen Brauen kräuselte sich die Stirn. Trotz seiner verschwenderischen Kleidung und der exquisit gearbeiteten Stulpenstiefel wirkte er für einen Moment wie ein einfältiger Lakai, der den Wunsch seines Herrn nicht zu deuten wusste. »Ihr wollt Eure Reisenotizen publizieren?«
Olearius nickte und bemerkte, dass er vor Aufregung schwitzte. Verräterisch wie Wangenröte schoss es ihm aus allen Poren.
Ich muss den Herzog vom Wert meiner Arbeit überzeugen, dachte er. Ich muss an seinen Verstand appellieren und seine Eitelkeit kitzeln.
»Mit einem Bericht über die Reise nach Russland und Persien betreten wir Neuland, Durchlaucht«, fuhr er fort. »Die Persische Reise wird Euch in ganz Europa bekannt machen und Euren Ruhm mehren. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die ich in Eurem Auftrag gewonnen habe, sind doch der eigentliche Schatz dieser Reise. Auch wenn die Expedition ein wirtschaftlicher Fehlschlag war, könnt Ihr sie immer noch zu einem wissenschaftlichen Erfolg machen. Ganz
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