Der Stierkampf
Hause, aber es war gerade der Morgen nach einem hefigen Streit zwischen ihm und Sakiko. Diese hatte erklärt, sich nun endgültig von ihm trennen zu wollen, und so war für Tsugami dieser Gast sehr willkommen, den kalt schimmernden Augen Sakikos zu entfliehen; die schwieg beharrlich, das konnte sowohl Liebe wie Haß bedeuten.
Tashiro war für ihn bei diesem ersten Treffen nichts weiter als ein aus der Provinz kommender Vergnügungsmanager, so wie er auf der Visitenkarte bezeichnet war. Sein energisches, terrakottfarbenes Gesicht und seine von Natur kräfige Stimme ließen ihn zweifellos jünger erscheinen, als er den Jahren nach war, doch hatte er immerhin die Fünfzig überschritten. Sein zweireihiges Jackett aus handgewebtem Stoff und das grobgestreife Hemd waren so schick, wie dies einem jungen Mann etwa in seinen Zwanzigern zukam. An seinen dicken, großen Fingern glitzerten zwei Silberringe, und er hatte sich aus irgendeinem Grund ein schwarzes, dünnes Tüchlein um den Hals geschlungen.
Er fragte Tsugami, ob seine Zeitung nicht vielleicht gewillt sei, die Veranstaltung eines Stierkampfes zu übernehmen, er sei in der Lage, dies zu vermitteln. Und er erklärte ihm Ursprung und Entwicklung dieser »Stier-Ringkämpfe«, die es in ganz Japan nur an einem einzigen Ort, der Stadt W in der alten Provinz Iyo gab. Voll Beredsamkeit legte er dar, er habe sich schon immer sehnlichst gewünscht, den traditionellen Stierkampf seiner Heimat einmal in ganz Japan bekannt zu machen.
»Ich bin nur einfach ein unbekannter Vergnügungsmanager, aber ich empfinde einen solchen Stierkampf durchaus nicht als eine bloße Unterhaltungsveranstaltung! Geld möchte ich mit anderen Dingen verdienen. Dreißig Jahre lang bin ich nur immer auf der Insel Shikoku herumgereist, habe ziemlich langweilige Provinztheater-Aufführungen und Naniwabushi-Rezitationsabende organisiert, aber das alles brachte ich deshalb fertig, weil mir als Ideal vorschwebte, eines Tages den Stierkampf von Iyo in Tokyo oder Osaka zu zeigen.«
Er betonte immer wieder, daß er in einer solchen Veranstaltung keineswegs einen bloßen Zeitvertreib sehe, andererseits bei keiner anderen Unternehmung der geschäfliche Erfolg so sicher wie hier garantiert sei.
Tsugami ließ die an einen Schmierenschauspieler erinnernde Geschwätzigkeit Tashiros fast widerstandslos über sich ergehen, er sah kalt und gefühllos auf die Stengel der Sazanka-Blumen in einer Ecke des kleinen Gartens. Mit Leuten dieses Schlages zu verkehren, gehörte zu Tsugamis täglichem Brot. Er hörte dann, die Pfeife im Mund, dem Geplapper halb teilnahmslos zu, halb überließ er sich Gedanken, die in eine ganz andere Richtung schweifen, meist einsame Gedanken, melancholische. Mochte der Schwätzer noch so viele Harpunen vergeblich schleudern, hin und wieder erhielt er von Tsugami doch kurze Antworten, die dieser nur gab, um nicht ganz unbeteiligt zu wirken, die aber den andern trotzdem auf die ausgefallene Idee bringen konnten, seine Worte fänden aufmerksames Gehör bei Tsugami. Tsugami wurde immer kälter, Tashiros Beredsamkeit stärker und stärker.
»Viele denken an etwas Widerwärtiges, wenn sie das Wort Stierkampf hören, aber das ist es nicht! Die Leute von W schließen seit jeher Wetten auf den Ausgang der Stier-Zweikämpfe ab!« Tashiro hatte kaum zu Ende gesprochen, da fragte Tsugami, wie aus der Pistole geschossen: »Wie? Die Leute wetten?«
In der Stadt W schlössen, erklärte Tashiro, bei den dreimal im Jahr stattfindenden Stierkämpfen auch heute noch fast alle Zuschauer Wetten ab. Dies ließ Tsugami, der bis dahin den Redeschwall seines Besuchers an sich hatte vorüber rauschen lassen, mit einem Mal auforchen. Ein Wettkampf von Lebewesen innerhalb einer Bambusumzäunung in einem modernen Stadion, wie es das Hanshinoder das Koroen-Baseballstadion waren, enthusiastische Zuschauer, Lautsprecher, Papiergeldbündel, das aufgeregte Hin und Her von Menschen – an all das, wie an Bilder aus einem Film, ließen ihn Tashiros Worte denken. Es waren lähmende, kalte, drückend schwere Vorstellungen. Doch solche Wettabschlüsse garantierten einen günstigen Verlauf! Fand der Stierkampf in Osaka-Kobe statt, wetteten sicher alle Zuschauer genau wie in der Stadt W. Vielleicht half ein solches Erlebnis den Japanern, nach dem verlorenen Krieg wieder zu sich zurückzufinden. Gab man ihnen nur eine geeignete Möglichkeit, Wetten abzuschließen, würden wohl – sogar wortlos – die Menschen hier
Weitere Kostenlose Bücher