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Der stille Ozean

Der stille Ozean

Titel: Der stille Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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vier Jahren beim Bau seines eigenen Hauses abgestürzt war und dabei den Tod gefunden hatte, zusammenlebte. Wenn sie heirateten, würde die Frau die Witwenpension verlieren, was sie sich nicht leisten konnten, da Golobitsch nur Gelegenheitsarbeiten nachging und nahezu seinen gesamten Besitz: Wald, Wiesen, einen Acker an seinen Nachbarn verkauft hatte. Sein Haus, in dem Ascher sich einmietete, gehörte jetzt Zeiner. Trotzdem verfügte Golobitsch, so hatte man Ascher gewarnt, nie über Geld. Insgesamt hatte er acht Motorräder besessen, sonst vermochte er nichts aufzuzählen. Bestandteile davon lagen noch auf dem Dachboden, den ihm Zeiner weiter zu benutzen erlaubt hatte. Golobitsch lagerte dort auch den Mais, den er auf dem kleinen Acker vor dem Haus erntete und sackweise mit dem Motorrad holte, um ihn an die Schweine der Frau zu verfüttern. Er war ein mittelgroßer, kräftiger Mann. Die Haare waren am Ansatz schütter und zurückgekämmt. Zumeist trug er einen braunen Samthut, dessen Krempe er tief in sein Gesicht zog. Seine Stirn war breit und wuchtig, seine Augen waren hell. Sie waren in Zeiners klapprigem weißen Opel von Gleinstätten in die Ebene gefahren, die von Mais bewachsen war. Früher, vor Jahrtausenden, sei hier einmal ein See gewesen, hatte Zeiner gesagt. Als ein Fischreiher vor ihnen am Himmel flog, hatte Zeiner erzählt, daß sein Schwiegervater an dieser Stelle ein Flugzeug habe abstürzen sehen, das ein 23jähriger Bauer in Pölfing Brunn gebaut habe. Das Flugzeug sei ein Tiefdecker mit 30-PS-Rotationsmotor und verstellbarer Luftschraube gewesen. Vom Schloß Gleinstätten sei es gekommen, habe eine kleine Schleife über Haslach gezogen und sei plötzlich wie ein Stein vom Himmel gefallen. Der Pilot sei unverletzt gewesen, jedoch habe er einige Minuten kein Wort sprechen können und sich, nachdem der Schwiegervater ihm aus den Trümmern geholfen habe, in die Wiese gelegt. Aber schon ein paar Monate später sei er erneut geflogen. Im Ersten Weltkrieg sei er dann im Westen gefallen. Ascher dachte plötzlich: Die Menschheit träumt. Er dachte, daß ein Bruchteil der Menschheit davon lebte, das Volk in seinen Träumen zu belassen und dafür sorgte, daß es fortfuhr zu träumen. Auf der Eisenbahnfahrt hatte Ascher zum ersten Mal einen der Bewohner von der Tollwut sprechen hören. Zeiner erklärte, daß über zwei angrenzende Bezirke die Tollwutsperre verhängt worden sei. Jede Katze, die sich vom Haus entferne, würde erschossen, ebenso jeder Hund, der nicht an der Leine geführt werde und auf freiem Feld herumlaufe. Natürlich sei die Fuchsjagd verschärft worden.
    »Sie als Biologe werden ohnedies Bescheid wissen«, hatte Zeiner gesagt. Angeblich wäre, wenn die Tollwut bei einem Menschen einmal ausgebrochen sei, keine Hilfe mehr möglich.
    Ascher bestätigte das. Daraufhin wollte Zeiner wissen, wie die Infektion verlaufe. Ascher antwortete, daß von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit 30 bis 50 Tage vergingen. Beim Menschen kündigte sich die Erkrankung gewöhnlich mit Ruhelosigkeit und Fieber an. Die Unruhe wachse zu unkontrollierbarer Erregung mit Speichelfluß und quälenden Krämpfen der Muskeln des Rachens und des Kehlkopfes an. Der Tod trete gewöhnlich innerhalb von drei bis fünf Tagen ein und sei die Folge von Erstickung, Erschöpfung oder allgemeinen Krampf- und Lähmungszuständen.
    Zeiner und Ascher hatten sich einige Male getroffen, nachdem Ascher ihm aufgrund einer Zeitungsannonce geschrieben hatte. Einmal war Ascher mit dem Autobus bis Pölfing Brunn gefahren, von wo ihn Zeiner abgeholt hatte. Das Haus bestand aus einer Küche mit kleinen Fenstern und einem gemauerten alten Herd, einem Zimmer sowie einer Dachbodenkammer. Der Verputz war von der Decke gehangen. Ascher hatte die Miete für ein Jahr im voraus bezahlt und war vierzehn Tage, bevor er nun das Haus bezogen hatte, nochmals gekommen, um alles zu kontrollieren.
     

3
     
    Am nächsten Tag war Ascher damit beschäftigt, die Kiste auszupacken und sich im Haus zurechtzufinden. Die Winterfenster der Dachbodenkammer, in der er schlief, waren noch nicht eingehängt, der gemauerte Ofen in der Küche war undicht und rauchte, als er einmal mit Papier versucht hatte, Feuer zu machen; die Ritzen zwischen den Wänden und den hölzernen Böden wären wegen der Mäuse mit Glaswolle zu verstopfen gewesen. In der Holzkiste fand er sein Mikroskop, das ihm seine Frau eingepackt hatte, und einen Histologischen Atlas. Er schlug ihn auf.

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