Die Traenen Des Drachen
Krugant
S etzt euch zu mir, Freunde. Krallenfinger wird erzählen. Ekri, häng die Felldecke vor die Tür. Nin, leg noch etwas Holz aufs Feuer. Es ist so kalt draußen.
Kommt nun, Freunde. Ich werde euch die Geschichte von einem kleinen Jungen erzählen, der vor vielen, vielen Wintern gelebt hat, und von der Reise, die er unternommen hat, ehe er hierher in die Felsenburg kam.
Hört meine Worte. Fühlt sie. Nehmt ihren Geruch wahr. Seht, wie sie ums Feuer tanzen. Und hört ihre Stimmen, wie sie euch locken, mitzukommen. Tut, was sie von euch verlangen, Freunde. Folgt meinen Worten auf das Meer hinaus und segelt mit ihnen fort, bis es auf die nördlichen Ebenen trifft. Dort liegt Krugant, ein Ort, von dem euch sicher eure Klanväter erzählt haben. Und dort in Krugant beginnt die Geschichte.
Ob dort die Zauberer wohnen? Nein, Nin. Das ist in Tuur, weiter im Süden, noch hinter Krett. Die Kruginer fürchten die Zauberei, und sie würden die Hexenmeister niemals in ihrer Stadt wohnen lassen. Denn Krugant ist von stolzen Kriegern bevölkert, den Nachkommen der ersten Klans der Ebene. Das sind gute Menschen. Ich bin noch immer dieser Meinung, auch nach all dem Bösen, das geschehen ist.
Fragst du schon wieder, Nin? Sei geduldig, mein Kind! Du darfst einen alten Mann nicht so drängen! Ihr werdet bald erfahren, was geschehen ist, denn ich erinnere mich an alles, als ob es gestern gewesen wäre. Also, schlagt die Decken um euch und denkt nicht an den Schneesturm draußen hinter den steinernen Mauern. Nein, seht ins Feuer und hört meine Geschichte.
Kro-Gan sagen eure Klanväter. Sie meinen Krugant. Keiner von ihnen war jemals dort, denn sie sind nicht so reiselustig, wie es das Felsenvolk gewesen ist. Aber nach allem, was sie von den herumreisenden Händlern erfahren haben, ist es eine wunderbare Stadt, und ich hoffe, dass ihr es eines Tages auf euch nehmen werdet, dort hinaufzusegeln. Ihr werdet den Ort an dem goldenen Streifen erkennen, der sich vor dem Grün der Ebene abhebt, das sich flach aus dem Meer erhebt. Kommt ihr näher, werdet ihr erkennen, dass es sich um eine steinerne Mole handelt. In Krugants Hafen werden eure Schiffe sicher vor jedem Unwetter sein, denn die steinerne Mole schützt die gesamte Seeseite der Stadt. Ihr müsst von Osten heransegeln, wenn ihr nicht auf den Schären auflaufen wollt, und wenn die Ebbe kommt und das Wasser sinkt, werdet ihr die verfaulten Masten und tangbewachsenen Decks der Schiffswracks zahlloser törichter Händler sehen. Doch hinter der Mole ist das Wasser tief, und dort pulsiert das Leben. In der Tauschzeit, die vom Frühsommer bis zum letzten Mond vor den Herbststürmen andauert, kann man trockenen Fußes vom Kai bis zur Moleneinfahrt laufen, von der Krugs steinerner Kopf alle wohlgesonnenen Männer willkommen heißt, feindliche Räuber hingegen mit einem Bann belegt. Ja, die Kruginer haben auf der westlichen Spitze der Mole einen steinernen Kopf errichtet, groß wie zwei Männer und breit wie einer. Niemand weiß, ob man diesen Kopf damals Krug taufte oder ob das der Name desjenigen war, der ihn aus dem Fels gehauen hat. Ich selbst glaube an das zweite, denn die Kruginer sind geschickte Steinmetze. Auch ihre Häuser sind aus Stein, und man erzählt sich, sie hätten diese Steine aus den Uferfelsen gehauen, die zu der Zeit, als sich die ersten Kruginer ansiedelten, den Strand bedeckten.
Ich erinnere mich an Krugant als eine Stadt der Mythen und allerlei fantastischer Dinge. Im Hafen erzählen sich die Seeleute Geschichten und besingen, was sie im Süden erlebt haben. Du kannst sie sehen, die in Seide gehüllten Arer, die dicken Seeräuber und die dunkelhaarigen Kretter, wie sie sich ans Dollbord ihrer Boote lehnen und sich mit den Händen an der Takelage festhalten. Und wenn du dich zum Rand der Kaimauer vorschleichst, kannst du sie bis weit in die Nacht erzählen hören, während sich das Licht ihrer Kohlelampen auf der schwarzen Wasserfläche spiegelt. Und unter euch gluckst das Wasser an den Pfählen, und ihr riecht den Tang und das Meer und das Ziegenfett von den Grillfeuern der Arer.
Tagsüber stehen die Händler auf der Kaimauer, die wie eine Straße am Meer entlangführt. In ihren Buden verkaufen sie Häute und Kräuter, Schwerter und Bogen, Seile aus Palmenfasern, Sklaven und magische Dinge aus Tuur.
Was sagst du, Nin? Dass sie böse sind? Dass nur Räuber mit Menschen handeln? Ja, da hast du Recht. Ich habe Frauen schreien gehört, als würde
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