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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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ich Ihnen gern als letzten Spaß vor dem Tod.« Er schwieg und wartete auf Maitlands Antwort, doch dieser saß nur und starrte in sein Glas. Schließlich fragte Avery: »Haben Sie etwas von Andrew Symington gehört?«
    »Soweit ich weiß, ist der noch immer bei Marshalls Nachrichtenabteilung drüben in Whitehall. Dora hat kürzlich ihr Baby bekommen. Ich will sie noch besuchen, bevor ich gehe.«
    Auf dem Wege hinaus begegneten sie einem großen amerikanischen U-Boot-Kommandanten, der mit einer schlanken Blondine in brauner Uniform mit Presseabzeichen auf den Ärmeln hereinkam. Hals und Gesicht des Mädchens waren mit winzigen Schürfwunden bedeckt, typischen Windverletzungen, doch sie wirkte überraschend gelöst, wie sie so ruhig und selbstverständlich mit dem Mann hereinkam, und er erkannte, daß diese beiden, die offenbar gemeinsam viel Schweres überstanden hatten, die ersten Menschen waren, die sich ihre private, kleine Welt zu erhalten gewußt hatten.
    Bei der Befehlsausgabe wurde Maitland einem der großen Titan-Supertraktoren zugestellt, die VIPs und Botschaftspersonal in die U-Boot-Basis in Portsmouth bringen sollten. Viele der Passagiere hatten vor ihrer Rettung schwere Verletzungen erlitten und benötigten sorgfältige Pflege.
    Maitland hatte tatsächlich den Eindruck, daß die Amerikaner, wie Avery angedeutet hatte, all ihre Leute herauszogen und sogar schwere operative Fälle nicht zurückließen. Ob Brandon Hall ausgedient hatte, wenn alle fort waren? Die nächste britische Basis war in Biggin Hill, und wenn der Wind noch mehr zunahm, würde sie nur schwer zu erreichen sein. Außerdem ... wie würde man sie dort aufnehmen?
    Der Captain bestätigte seine Befürchtungen.
    »Wie weit besteht eigentlich Verbindung zwischen den Basen rund um London?« fragte Maitland, als sie den Raum verließen. »Ich habe das Gefühl, jeder macht hier allmählich seine Luken dicht.«
    Der Captain nickte finster. »Genau. Gott weiß, was geschieht, wenn sie hier den Laden schließen. Jetzt ist es ja gemütlich hier, aber wir befinden uns auf einem sinkenden Schiff. Der Generator hat nur noch Brennstoff für eine Woche, von da an wird's hier ganz hübsch kalt werden. Und wenn die Pumpen nicht mehr arbeiten, können wir gleich unsere Tauchanzüge anziehen. Sie befördern jetzt etwa tausend Gallonen Wasser die Stunde hinaus.«
    Maitland holte seinen Seesack aus der Krankenabteilung. Unterwegs machte er schnell einen Abstecher in die Frauenabteilung und besuchte Dora Symington.
    »Hallo, Donald«, begrüßte sie ihn. Sie lächelte tapfer und räumte die Milchflaschen und -dosen beiseite, um ihm auf dem Bett Platz zu machen. Sie hob das Baby hoch. »Ich finde, er sieht genau aus wie Andrew, was meinst du?«
    Maitland betrachtete das winzige Greisengesicht. Er hätte das Kind gern als Symbol der Hoffnung angesehen, als Symbol einer tapferen, neuen Welt, hineingeboren in die Dämmerung der alten, doch er war zu deprimiert. Doras Tapferkeit, das provisorische Bett, die feuchten Kleider, das alles ließ nur noch deutlicher werden, wie hilflos sie im Grunde waren, wie ausgeliefert dem Rasen der Natur.
    »Hast du schon etwas von Andrew gehört?« fragte sie vorsichtig.
    »Nein, aber mach dir keine Sorgen, Dora. Er ist in bester Gesellschaft. Marshall weiß sich zu helfen.«
    Er blieb noch ein paar Minuten, dann verabschiedete er sich und fuhr mit einem der Lifts hinauf zur Transportabteilung, drei Stock unter der Erde.
    Selbst hier, durch fünfundsiebzig Fuß dicke Betonplatten von der Erdoberfläche getrennt, spürte man sofort den tobenden Sturm. Trotz riesiger Luftschleusen und übereinandergreifender Decken waren die Gänge dick bedeckt mit schwarzem, sandigem Grus, der unter unheimlichem Druck hereingepreßt wurde. Die Luft war klamm und kalt.
    Fahrer und Hilfspersonal, alle in schweren Plastikanzügen mit dicken Schaumgummipolstern, standen zwischen den sechs Titan-Supertraktoren herum, die in der Nähe der Werkstatt parkten.
    Sein Titan war der fünfte, ein riesiges, ausgesprochenes Kriechfahrzeug mit sechs Raupen und stark abgeschrägten Seiten, über achtzig Fuß lang und zwanzig Fuß breit, die Raupen sechs Fuß breit. Die graugestrichenen Seiten des Fahrzeugs waren zerkratzt und verbeult, die dreizölligen Stahlplatten voller tiefer Narben, wo fliegende Fels- und Mauerbrocken die Karosserie getroffen hatten. Das US-Navy-Emblem war kaum noch zu erkennen.
    Ein scharfgesichtiger, breitschultriger Mann in blauem Schutzanzug

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