Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
Vom Netzwerk:
schlossen sich um einen großen, eckigen Gegenstand, der ihm schwer in der Hand lag.
    Ein Ziegelstein!
    Er schob ihn zwischen die Knie. Wie kam der nur in sein Bett? Er tastete über die rauhe Oberfläche, an der noch Mörtel haftete.
    Er sah sich um in der Hoffnung, Aufmerksamkeit zu erregen, doch die Stimmen hatten sich entfernt. Der Raum lag schweigend.
    Auf einmal erschöpft, ließ er den Stein fallen und sank schwach in die Kissen zurück.
    Sofort waren die Stimmen wieder da.
    »Was machen die Hautübertragungen?«
    »Großartig verheilt. Wir nehmen den Arm morgen aus dem Gips.«
    Maitland lächelte vor sich hin. Vielleicht hatten sie kein Licht und konnten nicht sehen, daß er ja seine Hände unter der Decke hatte. Er krümmte und streckte die Finger. Sie stießen auf einen weiteren Gegenstand. Eine Taschenlampe.
    Instinktiv schaltete er sie ein.
    Der Lichtschein erhellte einen winzigen Raum, Steintrümmer zu beiden Seiten. Quer über seinen Knien ein zwei Fuß breiter Betonpfeiler mit einem großen Schild: AUSVERKAUF.
    Einen Augenblick starrte Maitland verständnislos das Wort an. Er saß aufrecht und zog mit den Fingern die Lettern nach.
    Dann begann sein Geist plötzlich wieder zu arbeiten, und er leuchtete mit der Lampe um sich.
    Er war also nicht im Krankenhaus, wie er sich eingebildet hatte, sondern eingeschlossen im Tunnel. Die Stimmen, die Diagnosen, das warme Bett – alles Produkte seiner Phantasie, Wunschbilder, die ihm sein ausgelaugter Körper vorgegaukelt hatte.
    Sein Kopf dröhnte. Maitland richtete den Lichtstrahl auf seine Hände und rieb sich die zerschundene Haut. Fast war er überrascht, daß sie nicht schwer verbrannt waren, und er überlegte, wie seine Phantasie wohl auf ein solches Detail gekommen war. Vielleicht war es die Erinnerung an einen seiner Patienten.
    Er sah sich um und suchte nach einer Möglichkeit, hier herauszukommen, doch der schmale Hohlraum, in dem er lag, schien vollständig von der Außenwelt abgeschnitten.
    Erschöpft legte er sich zurück. Die Lampe ließ er brennen.
    »Ich denke, wir können ihn morgen transportieren. Wie fühlen Sie sich?«
    »Recht gut, danke, Sir. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Neue Meldungen über den Wind?«
    Da waren sie wieder, die Stimmen. Selbst der Patient war jetzt zu hören. Zu müde, um sich Gedanken zu machen, warum er diese Wahnvorstellungen auch jetzt, bei vollem Bewußtsein, noch hatte, sank Maitland zurück und suchte eine bequeme Lage für seinen Kopf.
    Interessiert hörte er den Stimmen zu, den ersten Halluzinationen, die er hatte, und seine Gedanken versuchten automatisch, sie zu analysieren.
    Er stellte fest, daß ein Teil seines »Kissens« aus einem dicken, runden Rohr von zirka zwei Fuß Durchmesser bestand, das in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad schräg nach unten führte, und daß er die Stimmen viel deutlicher vernahm, wenn er das Ohr an dieses Rohr preßte.
    Hastig setzte er sich auf und drehte sich herum, bis er auf den Knien lag. Er räumte soviel wie möglich von dem Geröll beiseite, untersuchte das Rohr und legte das Ohr daran.
    Wieder und wieder versuchte er es, fast immer erfolglos. Nur an einer Stelle, ein paar Zoll im Quadrat, hörte er die Stimmen, durch irgendeinen akustischen Trick, vollkommen klar. Offenbar war das Rohr ein jetzt unbenutzter Ventilationsschacht, führte hinunter in die Station, die nur wenige Yards tiefer lag, und übertrug die Stimmen der Ärzte, die ihre Patienten besuchten.
    Das verzinkte Eisen des Rohrs war nur ein Achtel Zoll dick, doch er hatte nichts, mit dem er es durchschneiden konnte. Er hämmerte mit den Fäusten dagegen, schrie und preßte das Ohr an die bewußte Stelle, um auf Antwort zu lauschen. Unermüdlich schlug er mit einem Stein dagegen – ohne Erfolg.
    Schließlich nahm er die Taschenlampe und klopfte immer, wenn er unten die Ärzte hörte, in einem bestimmten Rhythmus.
    Zwei Stunden später, nachdem die Batterie zu Ende gegangen war, bekam er von unten Antwort.
     
    Nach sechs Uhr begann sich die Halle gewöhnlich zu füllen. Einer der Kellner hinter der Bar stellte den Plattenspieler an und schaltete gedämpftes Licht ein, das den beige-grünen Anstrich der frischen Betonwand kaschierte, und so verwandelte sich tagtäglich der Aufenthaltsraum des Bunkers, hundertfünfzig Fuß unter dem US-Airforce-Stützpunkt Brandon Hall, in eine Cocktailbar.
    Donald Maitland war immer aufs neue von der Vollständigkeit dieser Verwandlung überrascht. Hier wenigstens war eine

Weitere Kostenlose Bücher