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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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I
Flucht
    Neblungmond Anno 1229
                                                                                                           
    Als Line erwachte, fand sie sich in einem großen, weichen
Bett mit einem Rüschen besetzten Baldachin wieder. Erstaunt sah sie sich um. Es
    dauerte geraume Zeit, bis sie sich gesammelt hatte und ihr
die Ereignisse vor ihrer Ohnmacht wieder einfielen.
    Eine tiefe Traurigkeit breitete sich über ihre Seele aus.
Sie hatte alles verloren, was sie geliebt hatte. Grete, ihre Freundin und
Lehrerin war ermordet worden, die kleine Hütte, die jahrelang ihr zu Hause war,
abgebrannt.
    Mit ihrer großen Liebe Conrad war sie in eine ungewisse
Zukunft aufgebrochen.
    Wehmütig dachte sie an die Gefahren, die sie gemeinsam
bestanden hatten und an die Nächte mit Conrad, die sie unter freiem Himmel
verbrachten. Sie hatte sich so glücklich und geborgen gefühlt.
    Aber immer hatte sie gewusst, dass dieses Glück keine
Zukunft hatte. Doch nun endete es schon, bevor sie ihre Reise beendet und
Conrads Heimat erreicht hatten. 
    Sie sah Constance vor sich, diese wunderschöne, junge Frau.
Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass diese Edeldame perfekt zu Conrad
passte.
    Line schalt sich eine dumme Gans. Wie hatte sie annehmen
können, der junge Ritter wäre frei und ungebunden? Hatte sie geglaubt, er wäre
der Prinz aus dem Märchen, der sie armes Mädchen heimführen würde? Ja, das hatte
sie sich eingebildet, gab sie vor sich selbst zu.
    Ein alberner Gedanke. In seinen Kreisen war es üblich, dass
man schon als Kind einander versprochen wurde. Das war nichts
Außergewöhnliches. Die zukünftigen Brautleute hatten darauf in den meisten
Fällen wenig Einfluss.
    Grete hatte ihr erzählt, dass die meisten Ehen von Adligen
politische Hintergründe hatten, Liebe und Zuneigung spielten keine Rolle. Als
Frau konnte man froh sein, wenn man einigermaßen anständig behandelt wurde.
Deshalb hatten die meisten adligen Frauen auch nichts dagegen, wenn ihr Mann ‚heimlich’ eine Geliebte hatte, solange die Diskretion gewahrt blieb. 
    Aber diese Constance war ihm offenbar sehr zugeneigt und
Conrad erwiderte ihre Gefühle. Das war es, was ihr einen Stich versetzt hatte.
Dabei sollte sie sich für ihn freuen, statt eifersüchtig zu sein.
    Ein Gefühl der Leere machte sich in Line breit. Was wollte
sie hier? Er hatte sie mitgenommen, weil er sich ihr verpflichtet fühlte und
sie hatte nicht das Recht sich in sein Leben zu drängen. Was hatte sie
erwartet? Conrad war von Adel und sie eine mittellose, heimatlose Waise.
    Manchmal war sie sicher gewesen, er würde ihre Liebe
erwidern. Aber er hatte ihr keinerlei Versprechungen gemacht.
    Als Heilerin war sie in den umliegenden Dörfern bekannt
gewesen. Mit etwas Glück hätte sie es vielleicht geschafft, selbst für sich zu
sorgen. Stattdessen hatte sie sich an eine Illusion geklammert, die jäh
zerplatzt war. Sie war ihm aus Liebe gefolgt, ohne nachzudenken, weil sie sich
ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen wollte. Trotzdem bereute sie es nicht.
Sie hatte die Liebe kennen gelernt und diese Erfahrung wollte sie um nichts auf
der Welt missen.
    Doch auf keinen Fall wollte sie seinem Glück im Wege stehen
und ihn vor seiner Frau womöglich in Verlegenheit bringen. Sie war hier fehl am
Platz und musste weg. So schnell wie möglich.
    Auf der Truhe am Fenster sah sie ihr Kleid liegen, ein
Geschenk des Kaufmanns Lauckner. Es war von schlichtem Schnitt, aber aus feinem
Leinen. Noch nie hatte sie ein schöneres Kleid besessen. Ihr Unterhemd trug sie
noch auf dem Leib. Schnell schlüpfte sie aus dem Bett, streifte das Kleid über
und schloss die Verschnürungen an den Seiten. Dann warf sie den Kapuzenumhang
über, der ebenfalls ein Geschenk des Kaufmanns war und hängte sich ihre Tasche
um, die sie immer bei sich trug. Von ihrem Ersparten waren ihr nur noch wenige
Pfennige geblieben.
    Line trat ans Fenster, stieß den Fensterladen zurück und sah
hinaus. Sie befand sich im oberen Teil des Hauptgebäudes. Von hier aus konnte sie
auf den Innenhof blicken und am Bergfried vorbei sogar bis zum Tor.
    Es war alles ruhig, die meisten Bediensteten saßen
wahrscheinlich bereits beim Abendessen. Bei diesem Gedanken knurrte ihr der
Magen, aber das ignorierte sie.
    Leise öffnete das Mädchen die Tür und spähte hinaus. Niemand
war zu sehen. Sie wusste nicht, in welche Richtung

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