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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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kleine Oase der Illusionen in der allgemeinen Wüste. Hinter dem Barraum mit seiner Chromtheke, dem roten Leder und der gedämpften Beleuchtung lagen Diensträume, grau und unfreundlich, aber als nun die Offiziere in Uniform, ihre Frauen und höhergestellte Zivilisten hereinzuströmen begannen, gab es hier kaum ein Zeichen dafür, daß oben ein Sturm von dreihundertfünfzig Stundenmeilen die Welt zerstörte.
    Maitland hatte die fünf Tage, die er in Brandon Hall war, fast ausschließlich hier im Aufenthaltsraum zugebracht. Seine Verletzungen waren verhältnismäßig leicht gewesen, und in einer halben Stunde, um halb sieben, sollte er sich wieder zum Dienst melden.
    Er beobachtete Charles Avery, wie er die Drinks hinüber an den Tisch trug, und reckte sich wohlig. Die Amerikaner waren Experten in der Handhabung, die Annehmlichkeiten des Lebens mit einem Minimum an Mühe und Aufwand bereitzustellen, und er hatte schon fast begonnen, Susans tragischen Tod zu vergessen.
    »Dreihundertfünfzig jetzt«, sagte Avery düster und versuchte, seine schwarze Kampfjacke mit dem Abzeichen der Chirurgen glattzustreichen. »Nicht mehr viel übrig da oben. Wie geht's Ihnen?«
    Maitland zuckte die Achseln. »Gut. Ich möchte nicht sagen, daß ich wild darauf bin, wieder Dienst zu tun, aber dagegen habe ich auch nichts. War nett hier unten. Schade, daß ich fort muß.«
    Avery nickte. »Offen gesagt, es ist nicht der Mühe wert. Viel helfen können Sie doch nicht. Die Amerikaner haben zwar noch ein paar Fahrzeuge laufen, aber im großen und ganzen hat alles dichtgemacht. Verbindung zwischen den einzelnen Einheiten besteht kaum noch, und Meldungen von außen kommen nur sehr spärlich.«
    »Wie hält sich London?«
    Avery schüttelte den Kopf und sah in sein Glas. »London? Das existiert nicht mehr. Ebensowenig wie New York, Tokio oder Moskau. Die Kamera auf dem Turm in Hammersmith zeigt nur noch ein Trümmermeer. Nicht ein Gebäude steht mehr.«
    »Erstaunlich, daß die Verluste so gering sind.«
    »Ich weiß nicht, ob sie so gering sind. Ich schätze, daß allein in London eine halbe Million Menschen umgekommen sind. In Tokio und Bombay bestimmt fünfzig Prozent. Danken wir Gott für die U-Bahn.«
    Maitland stimmte ihm zu. Nach seiner Rettung in Knightsbridge war er verblüfft gewesen von der großartigen Organisation unter Tage, von dieser Unterwelt aus dunklen Tunnellabyrinthen, voller fast regloser, zusammengedrängter Wesen mit schäbigen Bündeln, geduldig wartend, daß der Wind sich lege, fast wie eine Armee Toter, die auf die Auferstehung wartet.
    Wo sich die anderen befanden, konnte Maitland nur raten. Als Vorteil der Übervölkerung großer Städte erwies sich nun, daß man begonnen hatte, nicht nur in die Höhe und Breite, sondern auch in die Tiefe zu bauen. Tausende von Gebäuden drangen ebenso tief in die Erde ein, wie sie oben emporragten. Park-Etagen, unterirdische Kinos, Unter-Keller und Unter-Unter-Keller boten verhältnismäßig guten Schutz vor dem Wüten des Sturmes. Es mußten Millionen sein, die sich in diesen provisorischen Schutzräumen ans Leben klammerten, fast taub vom Tosen des Windes oben, völlig abgeschnitten von allen anderen Menschen.
    Was sollte geschehen, wenn die Lebensmittelvorräte zu Ende gingen?
    »Viertel nach sechs, Donald«, riß ihn Avery aus seinen Gedanken. Er leerte sein Glas und beugte sich vor. »Ich arbeite von heute an in der Unfallaufnahme. Die Amerikaner schicken alle ihre großen Tiere vom Militär zu ihren Basen in Grönland, da ist der Wind etwa fünfzig Meilen pro Stunde geringer als hier. Wenn wir Glück haben, brauchen die noch ein paar Leute von der NATO für die grobe Arbeit. Von jetzt an halte ich Ausschau nach einem netten Zwei-Sterne-General mit einem verstauchten Fuß, dem ich mich als Rückenkratzer und Hausboy unentbehrlich machen kann. Ich rate Ihnen gut, machen Sie's ebenso.«
    Maitland sah auf und stellte erstaunt fest, daß Avery vollkommen ernst war. »Ich bewundere Ihre Klugheit«, sagte er ruhig. »Aber ich hoffe, wir brauchen keine Hilfe, um durchzukommen.«
    »Doch, die brauchen wir«, gab Avery ironisch zurück. »Seien wir doch mal ehrlich, wir kommen schon lange nicht mehr ohne Hilfe aus. Ich weiß, es klingt abscheulich, aber Anpassungsfähigkeit ist die einzige Möglichkeit zu überleben. Augenblicklich findet eine ziemlich harte natürliche Auslese statt, und ich würde alles tun, um diese Auslese zu überleben. Verachten Sie mich meinetwegen, das gönne

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