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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James G. Ballard
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hoch und ließ sich schwer in den Stuhl vor dem Funkgerät fallen. Minutenlang hustete er, rang krampfhaft nach Luft, suchte gegen den Eisblock in seiner Brust anzukämpfen. Hilflos wand er sich von links nach rechts, seine Augen starrten auf das Blut, das vom Stuhl aus über den Boden rann. Die Blutspur führte zurück in den Korridor, an den beiden Toten vorbei zur Treppe. Wieviel Stunden waren vergangen, seit er sich auf den Weg zu diesem Funkgerät gemacht hatte? Er wußte es nicht, doch der Anblick der Toten rüttelte ihn auf. Er wußte, daß ihn seine Kraft verließ, und er brachte es fertig, das Gerät einzuschalten.
    Um ihn herum war es totenstill im Bunker. Die Ventilatoren waren abgestellt worden, und die Luft war dumpf und reglos und noch immer voller Pulverdampf. Der einzige Laut kam von dem leisen Summen der Monitoren. Nur auf zwei Schirmen war noch ein Bild zu sehen, dessen Widerschein an der dunklen Decke hin- und herflackerte.
    Marshall zwang sich, ruhiger zu werden, sparsam mit seiner Atemluft umzugehen.
    Eine halbe Stunde später, als er schon fast das Bewußtsein verloren hatte, erwachte der Apparat in seinen Händen zum Leben. Mit beiden Fäusten umklammerte er das Mikrophon, preßte es an seine Lippen und begann langsam hineinzusprechen, immer wieder dieselben Worte, ungeachtet der Stimme am anderen Ende, die ihn immer wieder unterbrach, so lange, bis er nur noch unartikulierte, heisere Laute hervorbrachte.
    Endlich glitt ihm das Mikrophon aus der Hand und fiel zu Boden. Mühsam drehte er sich mit dem Stuhl herum, so daß er die Monitoren im Auge hatte. Jetzt gab es nur noch ein einziges Bild – weißer, glitzernder Staub, der, ohne Geschwindigkeit und Richtung zu ändern, unablässig von links nach rechts durch das Bild flog.
    Marshall lehnte sich zurück, sein Blick wurde ziellos. Sein graues, männliches Gesicht war jetzt fast starr und an Augen und Schläfen eingefallen. Die Lippen waren bleich. Ohne zu spüren, wie er atmete, vermeinte er auf den Grund eines eisigen Sees zu sinken. Um ihn herum wurde die stickige Luft allmählich kälter. Irgendwo über ihm im leeren Bunker ertönten vereinzelte Geräusche und echoten durch den schweigenden Ventilationsschacht und die verlassenen Korridore bis herüber zu ihm.

7
     
     
    »Wie geht's ihm?«
    »Nicht allzu schlecht. Leichter Schädelbruch, Verbrennungen zweiten Grades an Händen und Füßen.«
    »Aber er wird durchkommen?«
    »Aber ja. Wenn wir durchkommen, wird er es auch.«
    Die Stimmen entfernten sich. Donald Maitland dehnte sich behaglich; fast genoß er dieses Gefühl wohliger Wärme, gekoppelt mit leichter Übelkeit. Manchmal kamen die Stimmen wieder. Stärker und schwächer vernahm er sie, je nachdem, an welchem Krankenbett sie sich aufhielten. Und dann wieder, wenn sie direkt bei ihm waren und seinen Fall besprachen, hörte er sie ganz deutlich.
    Jedenfalls befand er sich auf dem Wege der Besserung. Träge drehte er sich um, versuchte, es sich bequemer zu machen, wollte das kühle Streicheln der Laken an seinem Gesicht verspüren.
    Und konnte es nicht. Was er auch versuchte, Bett und Kissen blieben steinhart. Seine Hände mußten in Gips liegen.
    Er wünschte, er würde aufwachen. Dann könnte er wieder einschlafen; der Schlaf würde die Schmerzen in Kopf und Schultern lindern und auch die Übelkeit, unter der er litt.
    »Sieht schon viel besser aus, finden Sie nicht?«
    »Kein Zweifel. Aber diese Verbrennungen machen mir Sorgen. Woher hat er sie nur?«
    »Weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube, er war im Kesselraum einer Generatorenstation eingeschlossen. Möglicherweise sind es Karbidverbrennungen ...«
    Sein Bewußtsein kehrte wieder, die Stimmen entfernten sich. Maitland streckte sich und stemmte die Füße gegen das Bettende.
    Verbrennungen?
    Wieso? Er entsann sich, daß er in der U-Bahn-Station Knightsbridge eingeschlossen gewesen war. Hatte man ihn in ein anderes Krankenhaus gebracht, seine Identität verwechselt?
    Die Stimmen kamen jetzt vom Bett eines anderen Patienten. Maitland fror, sein Kopf hämmerte. Er wollte sie rufen, ihnen sagen, daß sie sich irrten.
    Doch sie entfernten sich weiter, langsam, schließlich übertönt vom Summen eines überdimensionalen Ventilators.
    Verbrennungen?
    Mühsam öffnete er die Augen, bewegte den Kopf.
    Er war blind!
    Er setzte sich auf und tastete im Bett herum, halb in der Erwartung, von sanften Händen in die Kissen zurückgedrückt zu werden, tröstende Worte zu hören.
    Seine Finger

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