Der Sturm aus dem Nichts
Wind ist, die es gibt, wenn nicht die wirkungsvollste überhaupt.«
Er drückte auf einen Knopf im Schaltbrett vor ihm auf dem Schreibtisch, drehte sich ein wenig mit seinem Sessel, so daß sein Gesicht der Nische mit den Blenden zugewandt war, und winkte Maitland, das gleiche zu tun. Die Blenden glitten zurück. Das Deckenlicht verlöschte, und anstelle der Läden erschien jetzt ein riesiger Block aus Spiegelglas, drei Fuß hoch und doppelt so breit, der offensichtlich in die Stirnwand der Pyramide eingelassen war.
Darunter lag die Schräge der östlichen Pyramidenwand, an deren Fuß die Wälle und die Einfahrt zum Aufzug lagen. Weiter hinten, vor Staub kaum zu sehen, befand sich die breite Anfahrtsstraße.
Hardoon druckte einen zweiten Knopf, und ein Lautsprecher an der Wand über dem Fenster war eingeschaltet. Gedämpft zuerst, doch dann mit voller Stärke, hörten sie das Brausen des Windes, das Maitland während der letzten Wochen bis in die Träume verfolgt hatte.
Hardoon lehnte sich zurück. Hingegeben lauschte er den Geräuschen, die aus dem Lautsprecher drangen. Er schien in einen Rauschzustand zu versinken. Es mußte ein automatischer Widerstand in den Lautsprecher eingebaut sein, denn der Ton schwoll mehr und mehr an, bis das Brausen des Windes das Büro auszufüllen schien und alle anderen Geräusche auslöschte.
Plötzlich erwachte Hardoon aus seiner Trance und berührte die beiden Knöpfe. Das Brausen erstarb, und die Blenden glitten wieder über das Fenster.
Einen Augenblick starrte Hardoon auf die dunklen Blenden. »Seine Gewalt ist unermeßlich«, sagte er zu Maitland. »Die Natur selbst befindet sich in Aufruhr, in ihrer reinsten, elementarsten Form. Und wo ist der Mensch, ihr Erzfeind? Überwältigt, besiegt, hat er sich tief in die Erde verkrochen wie ein erschreckter Maulwurf, oder er wandert blind umher durch dunkle Tunnels.«
Er sah Maitland überlegen an und fuhr dann fort: »Ich bewundere Sie, Doktor, Sie und Ihre Gefährten. Sie hören nicht auf, den Wind zu bekämpfen, Sie bewahren Ihre Initiative. Sie bewegen sich unerschrocken über die Erdoberfläche. Es tut mir aufrichtig leid, daß Captain Halliday sterben mußte.«
Maitland nickte. Endlich war sein Kopf wieder klar. Die Wärme im Raum belebte ihn. Er beschloß, das Gespräch an sich zu reißen, und lehnte sich vor. »Wann haben Sie mit dem Bau der Schutzräume begonnen?« fragte er.
Hardoon zuckte die Achseln. »Vor Jahren. Eigentlich sollten die Bunker im Falle eines dritten Weltkriegs als Schutzräume für mein Personal dienen, doch die Pyramide ist erst in diesem Monat erbaut worden.«
Maitland wollte mehr wissen. »Was hoffen Sie zu erreichen? Politische Weltmacht, wenn der Wind sich legt?«
Hardoon wandte sich um und sah Maitland ungläubig an.
»Ist das wirklich Ihr Eindruck, Doktor? Fällt Ihnen kein anderes Motiv ein?«
Maitland hob die Schultern, überrascht von Hardoons Reaktion. »Die Erhaltung Ihres Lebens mit Hilfe einer großen, präzis arbeitenden Organisation.«
Hardoon lächelte traurig. »Erstaunlich, daß die Schwachen die Starken immer mit ihrem eigenen, beschränkten Maß messen. Das ist auch der Grund, warum Sie hier sind.« Doch ehe Maitland ihn bitten konnte, sich näher darüber auszulassen, sagte er: »Schon die ungewöhnliche Form dieses Bauwerks müßte Ihnen mein Motiv verraten. Es ist doch selbstverständlich, daß ich mich nicht in eine so exponierte Pyramide gesetzt hätte, wäre mein Ziel nur die Selbsterhaltung und die Unterhaltung einer schlagkräftigen, gutausgerüsteten Privatarmee gewesen.«
»Sie ist wie ein Feldherrnhügel«, meinte Maitland. »Und wie Sie soeben demonstrierten, ist sie auch ein ausgezeichneter Beobachtungsposten.«
»Und was soll ich beobachten? Das Fenster ist doch nur sechzig Fuß über dem Boden. Was könnte ich da sehen?«
»Nichts glaube ich. Nur den Wind.«
Hardoon nickte ernsthaft. »Und da haben Sie es, Doktor. Der Wind ist tatsächlich das, was ich von hier aus sehen will.« Er machte eine Pause. Dann fuhr er fort: »Als der Wind sich erhob, bauten alle Menschen auf der Welt tief und tiefer in die schützende Erdkruste hinein, um ihm zu entgehen. Ich machte eine Ausnahme! Ich allein habe nach oben gebaut, habe es gewagt, dem Wind zu trotzen, habe allen Mut und alle Entschlossenheit, die dem Menschen innewohnt, zusammengenommen, um der Natur Paroli zu bieten. Nur darum habe ich meinen Turm errichtet. Hier, über der Erde, stelle ich mich der Natur.
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