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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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und Chris konnte nichts weiter tun. Er musste abwarten, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
    »Wann kapierst du endlich, dass eine Entschuldigung kein Mittel ist, um für jeden Scheiß, den man macht, einen Freibrief zu bekommen? Ich hasse es, wenn...«
    Julia brach ab. Wie immer. Chris kannte das schon. Sie wollte nicht weiterdiskutieren, zog sich in sich selbst zurück. Und es würde vermutlich Stunden dauern, sie dort wieder hervorzulocken.
    »Kann ich Ihnen helfen, Julia?«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
    Steve Mason.
    Der hatte Chris gerade noch gefehlt.
    Der Security-Mann, höchstens fünf, sechs Jahre älter als Chris selbst, trat zu ihnen an den Kamin.
    Julia schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung.«
    Mason deutete auf den Bildschirm und sagte in seinem breiten Akzent: »Haben Sie die Nachrichten gesehen? Das ist kein gewöhnlicher Sturm, der da aufzieht. Und am Pass ›White Escape‹ kann es verdammt ungemütlich werden. Sehen Sie zu, dass Sie loskommen.«
    »Ja doch, Mann«, sagte Chris ungehalten. »Wir sind ja keine Kleinkinder mehr! Und außerdem wird es schon nicht so schlimm werden.«
    »Ach nein?« Der Wachmann zog eine Augenbraue in die Höhe. Dann warf er Julia einen Blick zu und grinste anzüglich. »Na ja, so ein Sturm hat auch Vorteile. Zumindest, wenn man jemanden hat, der einen wärmt.«
    Breites, unverschämtes Grinsen. Ein Augenzwinkern.
    Chris registrierte zähneknirschend, dass Julia das schmierige Lächeln erwiderte. Tat sie das, um ihn zu ärgern? Wollte sie sich rächen, weil er sie eben so erschreckt hatte? Und wieso fiel es ihr so leicht, jeden x-beliebigen Typen anzulächeln? Es sah irgendwie wahllos aus.
    Der Wachmann überragte Chris um einen Kopf. Er hatte ein breites Gesicht unter einer dieser blonden Kurzhaarfrisuren, die ihn immer an einen amerikanischen Marine erinnerten. Früher einmal hätte Chris Typen wie Steve Mason bewundert. Den durchtrainierten Körper und die Muskeln, die sich unter der dunkelblauen Jacke abzeichneten.
    Aber heute? Heute sah er nur, wie der Mann Julia anstarrte. Als ob er sie mit seinen Blicken ausziehen wollte.
    »Wird schon nicht so schlimm werden, Steve«, sagte Julia leichthin.
    Seit wann redete sie ihn mit Vornamen an?
    »Wollen wir es hoffen, Julia. Während der freien Tage sind wir nur zwei Security-Leute hier oben. Das College spart mal wieder an allen Ecken und Enden. Und wir müssen es ausbaden.«
    Steve Mason hob die Hand und winkte einem zweiten Wachmann zu, der gerade die Halle durchquerte, die sich mittlerweile merklich geleert hatte. »He, Ted, das Hausmeisterteam hat sich noch um die Sturmgitter gekümmert, bevor sie gefahren sind«, rief er ihm zu. »Aber wir müssen die Apartments kontrollieren, ob keiner vergessen hat, die Fenster zu schließen.«
    Sein Kollege war zwei Köpfe kleiner als Steve und mochte so Mitte fünfzig sein. Chris kannte ihn nicht. Sein Gesicht war gerötet und das kam vermutlich nicht nur vom Übergewicht. Die Zugluft der offenen Eingangstür blies Chris eine Alkoholfahne ins Gesicht. »Wenn’s sein muss«, murmelte der Mann missmutig.
    Steve runzelte die Stirn. »Ja, es muss sein«, sagte er ungerührt. »Ich übernehme die Südseite, wenn du den Nordflügel kontrollierst.«
    Er wandte sich zum Gehen.
    Na endlich! Chris würde für nichts garantieren, wenn der Typ Julia weiter so anstarrte!
    Zum Abschied winkte Steve Julia lässig zu. »Auf Wiedersehen, meine Schöne. Und geben Sie gut acht, bei wem Sie heute ins Auto steigen.«
    Ein spöttisches Lächeln lag auf seinen Lippen.

2. Kapitel
    D ebbie ließ sich auf den Stuhl in der verwaisten Küche des Apartments fallen, griff in die speckige Chipstüte, schloss die Augen und rief sich die Liste mit der Nummer 8 ins Gedächtnis.
    Liste No. 8 – Leute, die ich am meisten hasse:
Jake!
Superdad Wilder, der gemeinste Stiefvater ever!
Benjamin, weil er bestimmt schwul ist!
Julia, weil sie kaum noch in ihrem eigenen Zimmer übernachtet!
    Debbie hatte früh in ihrem Leben angefangen, Listen anzulegen. Sie war vielleicht acht oder neun Jahre gewesen. Genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, wann sie beschlossen hatte, sorgfältig zu vermerken, was sie an einem Tag gemacht hatte. Und zwar nicht in Form eines dieser Tagebücher, wie es andere Mädchen in ihrem Alter führten. Debbie hatte von Anfang an Listen bevorzugt. Nummerierte Aufzählungen ihres Lebens. Zum Beispiel:
Dreimal Zähne geputzt.
In der Schule sieben Lehrer auf dem Flur gegrüßt.
1,75

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