Der suendige Engel
Hirschfeld übt Blut auf die »lebenden Vampire« eine »partielle Attraktion« aus, weswegen man diese Veranlagung auch als Hämato-philie bezeichnet.
Die harmloseste Form der Hämatophilie äußert sich in Träumen und Gedanken, die sich um Blut drehen. Laut Hirschfeld ist der »ideale Vampir« ein Blutfetischist, der lediglich in seiner Phantasie zum Blutsauger wird, wie im Fall einer dreißigjährigen Portugiesin, für die Blut das Symbol für Liebe, Haß, Zorn und Leidenschaft war. In Gedanken spielte die Frau mit dem Körper eines toten Säuglings, da sie unter Kinderhaß litt und häufig den Wunsch verspürte, ihren siebenjährigen Sohn zu töten. Gegen ihren Ehemann hegte sie ebenfalls Mordgelüste und stellte ihn sich beim Geschlechtsverkehr als Leiche vor, was ihre Lust steigerte. Sie wollte jungen Mädchen in die Brüste beißen oder sie ganz aufessen. Ähnliche Gefühle waren auf Vagina, Unterleib und Mastdarm gerichtet.
Der Höhepunkt ihrer Traumvorstellungen war allerdings das Trinken von Blut aus dem Ohr, was zusammen mit den übrigen Aspekten des Falles die Theorie verschiedener Psychologen bestätigt, daß Blutgenuß die »lebenden Vampire« nicht nur zum Koitus animiert, sondern für sie jede Art von geschlechtlichem Verkehr ersetzt, wobei das Geschlecht des Partners - oder Opfers - für sie keine große Rolle spielt. So gestand der Frauenmörder Verzeni bei seiner Vernehmung: »Im Moment des Schützens sah ich nichts mehr. Nach vollbrachter Tat war ich befriedigt und fühlte mich wohl. Mir ist niemals in den Sinn gekommen, die Genitalien der Frauen zu berühren oder zu betrachten. Es genügte mir völlig, ihren Hals aufzuschlitzen und ihr Blut zu saugen. Ich weiß heute noch nicht, wie ein Weib gebaut ist.«
Den französischen Mörder Leger, dessen Taten sich ohne weiteres mit den grausigen Blutorgien des Gilles de Rais messen können, der als »Blaubart« bekannt geworden ist, dürstete es nicht nur nach dem Blut seiner Opfer, sondern auch nach ihrem Fleisch. Nachdem er eine junge Frau vergewaltigt und getötet hatte, schnitt er ihr die Brüste ab und riß ihr das Herz heraus, um es zu essen und vom Blut seines Opfers zu trinken. Auf die Frage des Richters, was ihn zu seiner grauenhaften Tat getrieben hat, antwortete Leger leichthin: »Ich hatte Durst.« 1824 starb der Mörder unter der Guillotine.
In der Nacht vor seiner Hinrichtung im Jahre 1949 schrieb John Haigh, der »Vampir von London«, seine »Beichte« nieder, in der er von der Faszination spricht, die Blut auf ihn ausübte. Als Haigh sich als Junge versehentlich die Hand verletzte und das Blut ableckte, hatte er zum ersten Mal »wirkliche Lustgefühle, und das bewirkte eine Revolution in meinem ganzen Wesen.« Haigh hatte sich zunächst selbst Wunden beigebracht, aber als sein Blutdurst stärker wurde, lockte er Männer und Frauen in sein Atelier, ermordete sie und trank Blut aus ihrer Kehle. Nachdem er gefaßt worden war, bekannte Haigh, daß er »zur Familie der Vampire« gehören würde.
Auffällig viele gefaßte Serienmörder haben zugegeben, daß sie durch ihre Gier nach Blut zu ihren Taten getrieben wurden. Das wohl schrecklichste Beispiel hierfür ist der Amerikaner Jeffrey Dah-mer, der sogenannte »Milwaukee-Mörder«, der neben seinem sprichwörtlichen Blutdurst ebenso wie Leger einen ausgeprägten Hang zum Kannibalismus besaß. Nachdem er seine Opfer zumeist durch Strangulation getötet hatte, zerstückelte er die Leichen mit akribischer Sorgfalt mit einer elektrischen Kettensäge. In Dahmers Appartement fand die Polizei nach seiner Verhaftung am 23. Juli 1991 - ursprünglich wollten zwei Beamte des Milwaukee Police Department Dahmer lediglich anweisen, dafür zu sorgen, daß der aus seiner Wohnung dringende Gestank nach »verdorbenem Fleisch«, über den sich die anderen Hausbewohnern beschwert hatten, endlich verschwand - die Überreste mehrerer seiner Opfer. Im Gefrierfach des Kühlschranks entdeckten die Polizisten neben einem abgetrennten Kopf und einer Plastikflasche Blut drei Beutel mit mensch-lichen Organen, die Dahmer, wie er bei der Vernehmung erklärte, »später essen wollte«. In der Gefriertruhe entdeckte man Tüten mit Muskeln und anderen Körperteilen, die Dahmer in Pflanzenöl zu braten pflegte, sowie weitere Schädel.
Jeffrey Dahmer wurde im Februar 1992 von einem Gericht in Mil-waukee wegen sechzehnfachen vorsätzlichen Mordes ersten Grades (für einen von dem überaus gesprächigen Serienkiller
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