Der suendige Engel
gestandenen siebzehnten Mord reichten - grotesk, aber wahr - die Beweise nicht aus) zum Tode verurteilt. Doch bevor er auf dem Elektrischen Stuhl sein Ende finden konnte, wurde Dahmer im Gefängnis von Mithäftlingen wegen seiner grausigen Taten ermordet.
Wie in Dahmers Fall paaren sich bei vielen »Vampirmördern« der Blutdurst und die Mordlust mit nekrophilem Leichenkult. Während der »Vampir von Hannover«, Fritz Haarmann, der junge Männer normalerweise durch einen Biß in die Kehle tötete, von seinen Opfern oft das eine oder andere »Souvenir« aufhob, konservierte Reginald Christie »seine« Leichen sorgfältig in Plastiksäcken. Edward Gein, einer der wohl bekanntesten Massenmörder überhaupt (Gein »inspirierte« den Horrorautor Robert Bloch zu seinem Buch Psycho, das später von Alfred Hitchcock erfolgreich verfilmt wurde und den Schauspieler Anthony Perkins als schizophrenen Killer Norman Ba-tes berühmt machte), präparierte die Schädel seiner Opfer, um sie auf ein Regal zu stellen, und tapezierte sein Schlafzimmer mit Menschenhaut.
Die Nekrophilie in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zeigt die enge Verbindung der Vorstellung von Leben bzw. Liebe und Tod, die auch den Vampirmythos kennzeichnet. Doch obgleich die Ähnlichkeit dieser beider Phänomene bemerkenswert ist, darf man Nekrophilie nicht mit Vampirismus verwechseln, vor allem, weil Nekrophile - anders als der Killer Donnie Pfaster in der X-Files-Epi- sode »Irresistible« - gewöhnlich nicht zu Gewalttaten neigen.
Zahlreiche Nekrophile sind »pure« Fetischisten, deren perverse Faszination sich nicht wie bei den Hämatophilen auf Blut, sondern auf Leichen konzentriert, wie am Fall des »Vampirs von Muy«, Victor Ardisson, deutlich wird, der auf dem Friedhof die Leiche eines dreijährigen Mädchens ausgegraben und mit nach Hause genommen hatte. Bei seiner Verhaftung erklärte Ardisson den Beamten, die die Reste des schon verwesten Leichnams bei ihm fanden: »Sie war hübsch. Sie hätten sie sehen sollen.« Später fand der Gerichtsarzt heraus, daß Ardisson bereits seit langer Zeit den Kontakt von Frauenleichen suchte, wobei ihn besonders deren »weiche Beine« erregten. In der Nacht nach einem Begräbnis grub Ardisson oftmals den Leichnam aus und liebkoste ihn. Im Moment des Orgasmus sah er die Frau dann lebend vor sich, was ihm ein »seliges Glücksgefühl« vermittelte.
»Liebe« und Tod - oder Sexualität und Tod - sind die Pfeiler, auf denen der Vampirmythos fußt, und zugleich die Erklärung für dieses Phänomen. Denn der Tod ist für die meisten Menschen der größte denkbare Schrecken. Deshalb versuchen viele Kulturen und Religionen den Tod als »Ende« zu eliminieren, ihn umzudeuten »in einen Ritus, der nur transformiert«, wie Hans Meurer sagt. Zahlreiche Völker glauben an ein Leben nach dem Tod, aus Angst vor der Sinnlosigkeit der eigenen Existenz. Und in eben »diesem Spannungsverhältnis zwischen Leben und Nicht-tot-sein-Wollen, Sterben und Weiterleben nach dem Tode, liegt der Ursprung der Existenz des Vampirs«. Hinzu kommt, daß seit Urzeiten alles Schlechte, das die Menschen sich nicht erklären können, bösen Geistern und Dämonen zugeschrieben wird.
Weil die Menschen im 17. Jahrhundert keine Erklärung für die Pest fanden, gaben sie kurzerhand dem Vampir die Schuld daran. Der Vampir verkörpert alles, »das nicht sein darf«: Gewalt, Tod -und Sex, denn vor allem im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Geschlechtliche aus dem bürgerlichen Bewußtsein ausgegrenzt und ta-buisiert, so daß die Menschen ihre geheimen Wünsche und Sehnsüchte kurzerhand in die Figur des Blutsaugers projizierten. Der »Vampirkuß« in den Hals des Opfers besitzt ein starkes erotischsa-distisches Element, das auch in Bram Stokers Klassiker Dracula deutlich zutage tritt.
In seinem Buch Der erotische Film erklärt Gerard Lenne die Motive, die Dracula antreiben: »Die Wollust, die ihn peinigt, wird immer nur durch flüchtige Eroberungen gestillt, und jede Nacht beginnt sie aufs neue. Wenn nicht klar wäre, daß die Suche nach dem Blut sexuelles Verlangen symbolisiert, daß der Biß und das Saugen dem Orgasmus entsprechen, würde der Besuch des Schattenfürsten keinen so theatralischen, extremen Effekt haben. Er bereitet all den jungen Mädchen, die da in ihren spitzenbesetzten Nachthemden zitternd und bibbernd in ihren jungfräulichen Betten liegen, die Liebesungeduld, mit der sie als bereite Opfer den durch das Fenster einsteigenden
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