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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ich zurücklächeln muss. Überhaupt, ich bin überrascht, wie mühelos sich alles entwickelt, als wir losgehen. Keine peinlichen Gesprächspausen, kein ödes Gelaber über Dinge, die mir völlig gleichgültig sind.
    Er macht sich ziemliche Sorgen, ob ich seinen Job blöd finden könnte, und will wissen, wie ich generell über Polizisten denke. Und meine Antwort hört er sich an, ohne mich auch nur einmal zu unterbrechen, was mich erstaunt, denn keiner meiner Brüder hat das jemals geschafft. Danach will er wissen, wovon ich träume. Als ich ihm verrate – und ich habe keine Ahnung, warum ich das tue, denn das weiß niemand außer Ellen –, dass ich Kostümbildnerin in Hollywood werden will oder Stoffdesignerin in Florenz, da lacht er mich nicht aus, sondern ist beeindruckt und fragt, wie ich darauf gekommen bin. Dann hört er sich, ohne mit der Wimper zu zucken, die langatmige Geschichte von meiner Lieblingsoma Flora an, die als Seidenweberin gearbeitet und mein Interesse an Stoff geweckt hat.
    Er bleibt stehen und wirft bewundernde Blicke auf mein hellrosa gemustertes Leinenkleid, das ich über den engen Jeansleggings trage. »Hast du das auch selbst gewebt?«
    »Genäht«, erwidere ich. »Das Kleid hab ich entworfen und genäht. Den Stoff dafür habe ich auf dem Flohmarkt gekauft, meine Oma hat mir zwar das Weben beigebracht, aber ich habe keinen Webstuhl, der von Oma wurde nach ihrem Tod verkauft.«
    »Sieht echt toll aus.« Er nickt dazu bestätigend und ich unterdrücke ein Grinsen, denn meine Brüder äußern sich ganz anders zu meinen selbst genähten Kleidern. »Lappen, Fetzen und Jutesack für Arme« ist noch das Beste, was ich zu hören bekomme. Ganz offensichtlich hat Diego keine Ahnung, aber er möchte nett zu mir sein, und das gefällt mir.
    Ich wende mich ihm zu und jetzt ist es an mir, ihn ein bisschen auszufragen. Wir mögen beide am liebsten Pasta, das stellen wir sofort fest. Okay, das vereint uns mit der Hälfte der Weltbevölkerung. Aber dass wir Kartoffeln, rohe Tomaten und Paprika verabscheuen, trotzdem jedoch unbedingt in die Heimat dieser Pflanzen, nämlich nach Lateinamerika reisen wollen, um wie ein Gaucho auf dem Pferd durch das Land zu reiten, Gitarre zu spielen und die Anden zu sehen, das sind ja nicht gerade alltägliche Wünsche. Diego hat sogar schon angefangen, Spanisch zu lernen.
    Okay, da hätte ich vielleicht misstrauisch werden können, so viel Übereinstimmung, das gibt’s doch nur in ganz miesen Liebesfilmen. Ich versuche, mich zu erinnern, ob er immer abgewartet hat, was ich sage, und mir dann erst zugestimmt hat, aber ich kann mich lediglich daran erinnern, dass er mit Lateinamerika und dem Reiten angefangen hat. Und ich weiß noch, wie verblüfft ich war, weil ich bis dahin immer dachte, ich wäre die Einzige, die davon träumt.
    Wir sind an der Eisdiele angekommen, an der sehr viel los ist. Die Leute stehen Schlange bis auf den Bürgersteig. Kinder fetzen durch die Reihen und betteln ihre Mütter um mehr an.
    Ich bin gespannt, was für ein Eis er bestellt. Ellen und ich haben eine Wette laufen. Gute Küsser essen kein Bananen- oder Joghurteis. Er bestellt Schoko-, Trüffel- und Nusseis mit Sahne, das lässt hoffen.
    Unfassbar, aber ich habe mich mit derart lächerlichen, unwichtigen Dingen befasst, ohne zu wissen, was im Hintergrund ablief. Habe ich wirklich ernsthaft darüber nachgedacht, welches Eis gute Küsser essen? Am liebsten würde ich das alles vergessen, aber sie behaupten, ich muss mich an jedes Detail erinnern, denn ihr Leben hängt davon ab. In allem, was damals passiert ist, können Hinweise versteckt sein. Wenn ich nur wüsste, wo!
    Ich kann mich wie so oft nicht zwischen den dreißig Sorten entscheiden. Diego bietet an, etwas zusammenzustellen, das mir gefallen wird. Das könnte schwer schiefgehen, was, wenn er all das aussucht, was ich nicht mag? Stracciatella, Erdbeer, Mocca… Andererseits bin ich ziemlich gespannt. Ich nicke ihm also zu und warte draußen. Ich bin immer noch völlig verblüfft, wie unkompliziert mit ihm alles läuft. Wie kann das sein? Es ist so, als ob wir uns lange kennen würden. Ellen würde sicher sagen, dass wir uns in einem früheren Leben schon mal begegnet sind. Ich muss grinsen. Ja genau, ich war Cleopatra und er Cäsar.
    Da kommt er schon und reicht mir einen Riesenbecher mit Sahne, hält ihn aber noch fest.
    »Wenn ich richtig gewählt habe, dann darf ich mir aussuchen, wo wir uns das nächste Mal treffen, okay?«
    »Und

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