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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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doch nach fünfzig Jahren einen Mann wiederzuerkennen, den man nur für Sekunden gesehen hatte, gehörte in den Bereich der Fiktion. Seine Vermutungen gingen eher in diese Richtung: Sophie Millstein, die sich seit dem Tod ihres Mannes immer schwerer in der Welt zurechtfand, hatte an einem sehr heißen Tag sehr unter der prallen Sonne gelitten, und als sie in allzu schmerzlichen Erinnerungen versunken war, erregte jemand in der Menge ihre Aufmerksamkeit, den sie mit der Vergangenheit vermengte, und so war sie desorientiert und hatte Angst, weil sie alt und einsam war. Außerdem räumte er seufzend ein: Würde es mir so viel anders ergehen?
    Doch stattdessen sagte er mit fester Stimme: »Ich glaube, Mrs.Millstein, dass Sie sich von dem Schock bald wieder erholen. Sie brauchen jetzt ein bisschen Ruhe …«
    »Ich muss die anderen warnen«, entgegnete sie in gehetztem Ton. »Sie müssen es erfahren. Mr.Stein hatte also doch recht. Ach, Mr.Winter, wir hätten ihm glauben sollen, aber was will man machen? Wir sind alt. Wir wussten es nicht besser. Wen würden Sie anrufen? Wem würden Sie es sagen? Ich wünschte, Leo wäre noch da.«
    »Welche anderen? Und wer ist Mr.Stein?«
    »Er hat ihn auch gesehen, und jetzt ist er tot.«
    Bei diesen Worten gerieten Simon Winters Zweifel augenblicklich ins Wanken. »Mrs.Millstein«, sagte er langsam und betont. »Ich verstehe nicht ganz. Können Sie mir das bitte erklären?«
    Stattdessen sah sie ihn mit aufgerissenen Augen an. »Ist das da Ihre Waffe? Ist sie geladen?«
    »Ja.«
    »Gott sei Dank. Hatten Sie all die Jahre bei der Polizei dieselbe Waffe?«
    »Ja.«
    »Die sollten Sie immer in der Nähe haben, Mr.Winter. Mein Leo, der wollte sich auch immer eine Pistole zulegen, weil die Neger – in Wahrheit hat er ein anderes Wort benutzt, er hatte keine Vorurteile, aber er hatte Angst, und deshalb hat er das schreckliche Wort benutzt –, er meinte, die kommen gerne nach Miami Beach und rauben all die alten Juden aus, die hier leben. Sind wir wohl auch, einfach nur alte Juden, und wenn ich ein Verbrecher wäre, würde ich wahrscheinlich genauso denken. Aber ich war strikt dagegen, ich hatte zu große Angst, eine Waffe im Haus zu haben, Leo war nämlich kein umsichtiger Mensch. Er war ein guter Mensch, aber – wie soll ich sagen? Auch ein bisschen unbesonnen, und das ist nicht gut, wenn eine Pistole in der Nähe ist; ich hatte Angst, er könnte zu Schaden kommen, also habe ich ihn nicht gelassen, und jetzt bereue ich es, denn sonst hätte ich selbst eine und könnte mich schützen. Ich darf nicht länger warten, Mr.Winter. Ich werde die anderen anrufen und ihnen sagen, dass er da ist und dass wir uns überlegen müssen, was wir unternehmen wollen.«
    »Mrs.Millstein, bitte beruhigen Sie sich. Wer ist Mr.Stein?«
    »Ich muss anrufen.«
    »Gleich, nur noch einen Moment.«
    Sie antwortete nicht.
    Sophie Millstein saß jetzt kerzengerade und starrte angespannt vor sich hin. Unvermutet fiel Simon Winter eine Schießerei wieder ein, in die er vor Jahren bei einem Banküberfall geraten war, ihnen waren die Kugeln um die Ohren geflogen. Dabei war der ganze Spuk in dreißig Sekunden vorbei gewesen. Nicht sein Schuss hatte den Räuber zur Strecke gebracht, doch er war als Erster bei ihm gewesen, hatte ihm die Pistole aus der ausgestreckten Hand getreten und gesehen, wie der Mann an sich hinunterschaute und mit aufgerissenen Augen erkannte, dass ihm das Leben aus einer Brustwunde quoll. Der Bankräuber war noch jung gewesen, Anfang zwanzig, und Simon Winter nicht viel älter. Er erinnerte sich, wie der Verwundete ihn angesehen und aus diesem Blick tausend verzweifelte Fragen gesprochen hatten, vor allem aber die eine: Werde ich überleben? Noch bevor Simon Winter antworten konnte, beobachtete er, wie die Augen des Mannes brachen und er starb. Diesen Moment der Fassungslosigkeit glaubte Simon Winter in Sophie Millsteins Gesicht zu erkennen, und er konnte nichts dagegen unternehmen, dass sich ein Teil ihrer Panik auf ihn übertrug.
    »Er wird mich umbringen«, stellte sie in resigniertem, ausdruckslosem Ton fest. »Ich muss die anderen warnen.« Ihre Worte klangen so trocken wie bis zum Zerreißen gespanntes Leder.
    »Mrs.Millstein, bitte, niemand wird Sie töten. Das lasse ich nicht zu.«
    Sophie Millsteins Blick richtete sich unverwandt geradeaus, als sei Simon Winter nicht mehr im Raum. Nach einer Weile fing sie an zu zittern, als habe sie eine Erinnerung ins Mark getroffen. Langsam wandte

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