Der Tag an dem ich cool wurde
als hätte er gerade den Weihnachtsmann auf dem Osterhasen vorbeireiten sehen.
Jaaaaaaaa! Jaaaaaaaaaaaaaaaa!
Er quetschte ein »Hallo« hervor und wurde rot. Lucas wurde tatsächlich rot!
»Du stehst mir in der Sonne«, sagte Luna.
»Sorry«, murmelte Lucas und ging weiter.
Ich sah aus dem Augenwinkel, dass er sich noch zweimal umdrehte.
Später kamen noch die Eltern der Mädchen mit dem Labrador Snatch im Schlepptau und beladen mit zwei Riesentüten und ordentlich viel anderem Kram.
»Wir haben keine Lust mehr auf den Strand dahinten«, sagte Frau Sonnenfeld. »Wir dachten, wir leisten euch mal ein bisschen Gesellschaft und bauen eine eigene Strandbar.« Sie rammte energisch eine Stange in den Boden.
»Und wir dachten, ihr könntet kalten Fruchtsaft vertragen«, sagte Herr Sonnenfeld und stellte die mitgebrachte riesige Glasschüssel auf den Klapptisch. In der himbeerroten Flüssigkeit schwammen bestimmt zwanzig Eiswürfel. Frau Sonnenfeld verteilte Erdbeertörtchen auf Pappteller.
Es dauerte nicht lange, bis Justus angerannt kam (»Der riecht Essen auf zehn Kilometer Entfernung«, hatte Luna letztens gesagt), und von der anderen Seite kam ein kleiner Junge von ungefähr sieben oder acht Jahren herangeschossen. Snatch verschwand in einer riesigen Sandwolke, als der Kleine bremste und knapp vor uns zum Stehen kam.
Er hatte rote Locken, die ihm wirr vom Kopf abstanden, und Millionen von Sommersprossen. Es war unser Botenjunge! »Hallo«, sagte er und legte den Kopf schief.
»Hallo«, sagte ich.
Karli legte den Finger auf die Lippen und sah den Kleinen warnend an.
»Das ist Kringel«, sagte Luna und zauste dem Kleinen die roten Locken. »Unser kleiner Bruder. Ein richtiger Strolch!«
»Oh ja«, sagte ich und grinste. »Das kann ich mir vorstellen!«
Kringel grinste auch.
Dann drehte er sich um und hüpfte zur Strandbar. »Hungeeeer!«, brüllte er fröhlich, schnappte sich zwei Erdbeertörtchen und raste wieder davon.
Dabei hüpfte er über ein Pärchen, das auf einem Handtuch döste. Er verfehlte es zwar knapp, aber der Sand, der an ihm geklebt hatte, rieselte den beiden auf den Kopf. Der Mann schaute hoch und sah sich verdutzt um.
»Kringel, pass auf!«, rief Frau Sonnenfeld ihm hinterher. »Pssst«, sagte Herr Sonnenfeld. »Sonst weiß jeder, dass er zu uns gehört. Wer weiß, was es kostet, wenn er wieder etwas anstellt! Es reicht schon, dass Benedikt und Julius den ganzen Campingplatz mit ihrer Musik beschallen!«
»Würde mich nicht wundern, wenn wir heute Abend zurückkommen und nur noch ein leeres Grundstück vorfinden«, sagte Frau Sonnenfeld. »Der alte Herr eben sah so aus, als würde er Benedikt und Julius höchstpersönlich nach Hause tragen, wenn sie ihm weiterhin mit ihrer Musik auf den Keks gehen. Vielleicht schiebt er auch unsere Wohnmobile in den See.«
»Vorhin ist nämlich ein älterer Herr auf unserem Grundstück auf getaucht und hat laut und deutlich gesagt, was er von jugendlichen Krawallmachern hält«, sagte Herr Sonnenfeld und grinste. »Ich glaube, er hätte am liebsten unseren zwei Jungs eins mit seinem Stock übergezogen.«
Mir wurde heiß.
»Ich muss sagen, ich kann ihn verstehen«, sagte Frau Sonnenfeld und lachte. »Die beiden können nicht mal eine Stunde die Finger von ihren Instrumenten lassen. Und für sein Alter war der Mann sehr rüstig.« Sie klang ziemlich beeindruckt.
Wieso war von Opa jeder beeindruckt? Denn dieser alte Herr musste Opa gewesen sein, da war ich mir ganz sicher. Das, was die beiden erzählten, passte zu ihm wie die Faust aufs Auge.
»Cool hier«, sagte Luna und schaute auf die provisorische Strandbar, die Frau Sonnenfeld gebaut hatte. Vier Holzpfähle steckten im sandigen Boden, darüber lag eine rote Plane. »Fast wie in ‘nem gigantischen Zelt«, quiekte Karli. Er schielte Stella an und bekam prompt rote Flecken im Gesicht.
Da hatte ich eine sensationelle Idee.
»Wie wär’s denn, wenn wir alle zusammen zelten würden?«, rief ich aufgeregt. »In unserem Wäldchen?«
Stella und Luna sahen sich an.
»Cool«, sagte Stella. »Aber nur wir vier. Kringel nervt und Justus...«
Sie sagte nichts mehr, als sie Justus’ Blick sah.
»Ich komme auch mit«, sagte er. »Überlebenstraining!«
»Genau«, sagte Luna und verdrehte die Augen. »Weil im Wäldchen ja so viele Gefahren lauern.«
Wir hatten noch keine Ahnung, dass in dieser Nacht im Wäldchen tatsächlich etwas geschehen würde, das Karlis und mein Leben verändern sollte.
…1:
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