Der Tag an dem ich cool wurde
nicht wissen.«
Der Kleine guckte beeindruckt. Er nahm den Brief an sich und griff nach dem Geldstück.
Ich schloss schnell die Hand.
»Dass wir uns richtig verstehen«, sagte ich. »Du gibst ihm den Brief, wenn seine Eltern es nicht sehen, und verschwindest. Du sagst kein Wort, verstanden?«
Der Kleine nickte.
»Und dann gehst du zu deiner Freundin zurück und guckst nicht mehr in unsere Richtung. Alles klar?«
Der Kleine nickte wieder.
Ich öffnete die Hand.
»Dann flitz los!«, sagte ich.
Er schnappte sich das Geldstück und rannte zum Strand hinunter, als wäre ein Gespenst hinter ihm her.
Wir schauten ihm durchs Fernglas nach. Karli guckte durch das rechte Rohr, ich linste durch das linke.
Der Kleine machte genau, was ich ihm gesagt hatte. Als er fast am Strand angekommen war, verlangsamte er und schlenderte dann, wie unbeteiligt, Richtung Lucas. Die Mutter döste immer noch und vom Vater war keine Spur zu sehen. Lucas saß auf seinem Handtuch und schaute auf den See.
Jetzt blieb der Kleine stehen.
Sein Schatten musste auf Lucas gefallen sein, denn der sah auf.
Der Kleine streckte Lucas den Brief hin. Er war so überrascht, dass er ihn gleich nahm. Dann sagte Lucas etwas. Wahrscheinlich fragte er den Kleinen, was für ein Brief das war. Aber der Kleine hielt, wie abgemacht, den Mund, drehte sich um und raste zurück über den Strand zu seiner Spielgefährtin.
Wir richteten das Fernglas wieder auf Lucas. Der saß verdattert da und betrachtete den Brief in seinen Händen. Schließlich faltete er das Blatt auseinander und las.
Als er wieder aufblickte, sah er ziemlich erschrocken aus und schaute sich um. Dann stand er auf und lief in die Richtung, in die der Kleine verschwunden war.
»Ach, du Schande«, sagte Karli. »Der will ihn ausquetschen. Hoffentlich hält der dicht!«
Das hoffte ich auch.
Es dauerte nicht lange, bis Lucas den Kleinen gefunden hatte. Der erschrak mächtig, als Lucas ihn ansprach.
Ich sah, wie Lucas auf den Jungen einredete.
Wir hielten die Luft an.
Aber alles lief prima. Der Kleine kniff die Lippen zusammen und zuckte mit den Schultern. Dabei sah er Lucas sogar noch ins Gesicht. Der redete weiter, aber da war nichts zu machen. Der Kleine blieb stumm wie ein Fisch. Schließlich schimpfte Lucas und trat mit dem Fuß in den Sand, dass es nur so staubte. Dann drehte er sich um und stapfte zurück zu seinem Platz.
Der Kleine schaute ganz kurz zu uns hoch, dann drehte er sich um, zeigte seiner Freundin das Geldstück und die beiden rannten über die Wiese zum Eiswagen.
Ich legte das Fernglas zur Seite.
»Der Kleine ist gut«, sagte ich. »Er hat echt dichtgehalten.«
»Ja«, sagte Karli anerkennend. »Aus dem kann mal ein ordentlicher Verbrecher werden!«
Jetzt war alles vorbereitet.
Heute Abend würden wir den großen Coup landen!
… 3 : Ein großer Schwur
Nach dem Abendessen saßen wir zusammen draußen vor dem Wohnwagen, Karli, Papa, Opa und ich.
Meine Armbanduhr zeigte halb neun. Wir mussten vor Lucas im Wäldchen sein, damit er uns nicht schon gleich sah.
Ich hustete und zwinkerte Karli zu. Er nickte fast unmerklich und schluckte.
»Oh«, rief er auf einmal und schaute auf seinen Arm. »So ein Mist!«
Papa sah auf.
»Was ist denn?«, fragte ich, gespielt ahnungslos.
»Meine Armbanduhr ist weg!«, quietschte Karli. »Die habe ich von Papa zum Geburtstag bekommen, sie ist fast neu!«
»Vielleicht liegt sie im Wohnwagen?«, fragte Papa. »Wenn du sie zum Schlafen ausgezogen hast...«
»Nein!«, rief Karli und sprang auf. »Ich weiß, wo sie ist! Ich habe sie heute Mittag am See neben die Strandmatte ins Gras gelegt, als wir schwimmen gegangen sind.« Er verdrehte die Augen.
»Stimmt!«, rief ich. »Ich erinnere mich dran. Du hast sie neben den großen Stein gelegt, der aussieht wie eine Schweinenase!« Ich war stolz darauf, dass mir so was eingefallen war. Es klang sehr überzeugend.
»Vielleicht findet ihr sie ja wieder«, sagte Papa.
Das war unser Stichwort.
»Genau, lass uns schnell runterlaufen!«, sagte ich zu Karli und sprang ebenfalls auf.
»Jetzt noch?«, fragte Papa.
»Klar«, sagte ich. »Es ist noch hell, und wer weiß, ob die Uhr morgen noch da liegt!«
Papa nickte. »Von mir aus«, sagte er. »Aber treibt euch nicht noch ewig in der Gegend herum!«
»Nein, nein«, versicherte Karli mit Unschuldsmiene. »Wenn wir die Uhr haben, kommen wir gleich zurück.«
»Komm«, sagte ich und steuerte schon auf das Tor zu. »Kann ja sein, dass wir
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