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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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sie kränkte. Selbst auf dem Heimweg juxte er weiter vor sich hin. Am Ende kamen ihr fast die Tränen. Erst der Schock auf dem Bahnhofsvorplatz, dann der Schreck in der Fußgängerzone, und nun das hier …
    „Du musst hier nicht den Affen markieren“, sagte sie schließlich. „Ich merk auch so, dass es dir gut geht. Und in Wahrheit freust du dich, dass wir so schön tanzen gehen.“
    „Klar freu ich mich darüber“, sagte er. „Ich weiß doch, wie sehr du es vermisst hast. Außerdem muss ich noch Punkt 9 meiner Löffelliste abarbeiten. Deshalb hab ich Barbara auch nach dem Kursus …“ Ein Blick auf Claudias säuerliche Miene genügte, und seine Stimme erstarb.
    „Ja, ich hab es vermisst“, sagte sie aufgewühlt und mit zittriger Stimme. „Nicht nur das Tanzen, auch die Bewegung an sich. Die hab ich früher wie die Luft zum Atmen gebraucht. Und jetzt hat es plötzlich wieder klick gemacht. Das ist so … so …“
    „Schön?“
    „Ja.“
    Er versank kurz in Schweigen. Dann sagte er: „Du hast getanzt, als ich mich in dich verliebt hab. Und das war ein anderes Tanzen: so unwirklich und märchenhaft. Da ist was mit mir passiert. Ich wusste, dass ich dich festhalten wollte, und zwar für immer.“
    „Warum hast du mir das nie gesagt, in all den Jahren nicht? Ganz schön traurig eigentlich.“
    Da trat René rasch auf sie zu und nahm sie in die Arme. Und von da ab wurde die Geschichte erfreulicher. Bedeutend erfreulicher.

Kapitel 20: Gestern
     
    Am Samstagnachmittag machten Claudi und René einen Ausflug zur Ruine von Burg Brasenstein. Mia war heute nicht dabei, denn sie wollte mit Leo ins Puppentheater gehen und sich danach noch mit ein paar Kindern und Müttern aus ihrem Spielkreis treffen.
    Die trutzige Zitadelle war auf einem felsigen Höhenzug erbaut worden und bot einen fantastischen Rundumblick aufs umliegende Bergland. Allerdings war René nicht wegen der grandiosen Fernsicht gekommen, sondern aus einem anderen Grund. Da keimte ein ganz neues Verlangen in ihm auf, Verlangen nach dem Leben, der Zukunft und dem Rest der Welt, und das brauchte ein Ventil.
    Sie ließen den Wagen im Dorf unterhalb des Höhenzuges stehen, schnürten ihre Rucksäcke und stiegen dann die Allee mit dem holperigen Kopfsteinpflaster hinauf. Zwischendurch blieben sie immer wieder stehen und genossen die Aussicht ins Land mit dem idyllischen See im Vordergrund und den bewaldeten Bergrücken am Horizont. Auch der Anblick der über ihnen thronenden Ruine war überwältigend. Ihre Türme und Mauern hoben sich eindrucksvoll gegen den Himmel ab und wirkten wild-romantisch und geheimnisvoll, fast mystisch.
    Zum Glück war heute nicht viel los, denn das Wetter war eher trübe und die Touristensaison längst vorüber. Von einigen wenigen Wandervögeln mal abgesehen waren sie allein.
    Ihre Brotzeit hoch oben auf der Zinne war ein voller Erfolg, denn es gab allerhand Köstlichkeiten, die René unter Leos Regie gebacken, gegrillt und gebraten und danach stilecht in einem Picknickkorb verstaut hatte.
    Leos Kochkünsten war es auch zu verdanken, dass René in letzter Zeit kräftig zugenommen hatte, und mit dem Fett kam auch sein sexueller Appetit zurück. Er hatte eine unsagbar heiße und wilde Sehnsucht nach seiner Prinzessin, und die wühlte ihn förmlich auf. Als er sie während des Essens beobachtete, nahmen seine Augen einen versunkenen, fast inständigen Ausdruck an. Süß, wie sie an ihrem knusprigen Hähnchenschenkel knabberte, sich mit der Zunge über die Zähne fuhr, wenn sie eine gegrillte Aubergine heruntergeschluckt hatte, ihn anlächelte, wenn sie einen Schluck alkoholfreien Sekt in der Mundhöhle hin und her wälzte …
    Als sie satt waren, packten sie die Reste der Mahlzeit und das Geschirr in den Korb zurück und setzten sie sich auf einen Mauervorsprung, um mit träumerischen Gesichtern und baumelnden Beinen hinaus ins Land zu sehen. Das lichte Grau des Himmels spiegelte sich auf der Wasseroberfläche des Sees und entfalteten eine entspannende Stimmung. So saßen sie einfach nur da und hatten das Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein. Allein auf eine schwingende, einmalige Art, wie sie einem nur selten vergönnt war.
    Bis Claudi plötzlich sagte: „Ich war neulich bei deinem Grasdealer.“
    Da erschrak René ganz fürchterlich.
    „Welcher Grasdealer?“, fragte er.
    „Der auf dem Bahnhofsvorplatz.“
    „Ich hab dir doch gesagt, dass ich …“
    „Ich war als Kundin da, René.“
    „Warst du nicht!“
    „Doch.

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