Der Tag Delphi
Dunkelheit von Colorado die Lastwagen in einer Entfernung von fast einem Kilometer heranrollen hörte.
David saß bereits am Steuer des Jeep Wrangler, als die Lastwagenkolonne vorbeifuhr. Da ihm klar war, daß er die Wagen problemlos verfolgen konnte, hielt er reichlich Abstand und fuhr langsam im Mondlicht dahin, so daß er das entfernte Rumpeln des Konvois gerade noch hören konnte. Da er die Scheinwerfer nicht eingeschaltet hatte, verwandelten sich die leichten Biegungen der Straße in hinterhältige Kurven, die dem Jeep Wrangler schwer zu schaffen machten.
Die längste Stunde seines Lebens ging vorbei, bevor die Scheinwerfer der Kolonne den Umriß des dichtgemachten Luftwaffenstützpunktes erhellten. Fünf Minuten später hatte David den Jeep Wrangler versteckt und diesen Aussichtspunkt in den Bergen gefunden, von dem aus sich der Stützpunkt gut einsehen ließ. Das war vor einer halben Stunde gewesen, und inzwischen war ein zweiter Konvoi angekommen. Er verfolgte die großen Laster mit seinem Fernglas bis zum Eingang der Basis. Sie rollten langsam aus und warteten darauf, daß das Tor geöffnet wurde.
Hastig holte David den Camcorder aus seiner Tragetasche und tauschte ihn gegen das Fernglas aus. Er war sich nicht sicher, ob die Nacht viel hergeben würde, insbesondere aus dieser Entfernung, doch es sollte genügen, um zu zeigen, wie die soeben angekommenen Lastwagen in die Basis fuhren. Er hatte keine Ahnung, worauf er da eigentlich gestoßen war. Doch was immer es war, wenn er es nicht dokumentierte, war es so gut wie nichts.
Er versuchte, das Bild schärfer zu stellen, als in der Luft das Tosen einer Düsenmaschine erklang. Ein Flugzeug ging im langsamen Anflug auf die Basis nieder. David folgte ihm mit den Blicken und bemerkte, daß eine Reihe von Lichtern jenseits der Gebäudelinie am Rande des Stützpunktes aufleuchteten. Die Lampen einer Landebahn. Er hielt den Camcorder wieder vor sein Auge.
Die Kamera fing das Flugzeug ein, wie es neben den Gebäuden aufsetzte. Die großen Laster ließen augenblicklich wieder ihre Motoren anlaufen und bewegten sich als Kolonne auf die Lichter der Landebahn zu.
»Verdammt«, murmelte David und ließ den Camcorder wieder sinken. »Verdammt!«
Die Gebäude in der Basis nahmen ihm die Sicht auf alles, was nun passieren würde. Entweder würde die Fracht der sechs Lastwagen in das Flugzeug umgeladen werden, oder umgekehrt. Und von dieser Position aus ließ sich in keiner Weise ausmachen, woraus die Fracht bestehen mochte. Er hatte nur eine Wahl: in den Stützpunkt einzudringen und die Männer während der Umladearbeiten zu filmen. Sein Mund war wie ausgetrocknet, doch er ließ die Feldflasche eingepackt. Er verstaute den Camcorder im Rucksack und zog die Gurte über seine Arme. Dann lief er den Hang hinab auf den stählernen Zaun zu, der den Stützpunkt umschloß.
Er erreichte ihn kaum vier Minuten später, nachdem er der flüchtigen Aufmerksamkeit der patrouillierenden Soldaten entgangen war. Die Höhe von rund drei Metern zu überwinden, schien ihm möglich zu sein, und David schob sich auf eine dunkle Ecke zu, die von den Wachen nicht einsehbar war. Mit Zufriedenheit bemerkte er zudem, daß an dieser Stelle der Stacheldraht fehlte.
David nahm Anlauf und kam auf Anhieb bis auf einen knappen Meter unterhalb des oberen Zaunrands. Der Rest war einfach. Er kletterte über den Rand und sprang auf die andere Seite hinab. Er sah sich rasch um und rannte dann los, überwand eine weitläufige Strecke zu einem Gebäude nahe der Landebahn und hielt sich dabei weitgehend in den dunkleren Bereichen. Er holte ein paarmal tief Luft, drückte sich gegen die Wand und bewegte sich auf die nach oben gerichteten Lichtkegel der Landebahnlichter zu.
Mehrere Flutlichter, die auf nahe gelegenen Gebäuden befestigt waren, erhellten deutlich die Szene vor ihm. Das schwere Transportflugzeug befand sich knapp zweihundert Meter entfernt auf der Landebahn. Der große Mann mit dem strohfarbenen Haar, das nicht zu seinem Kopf zu passen schien, stand unmittelbar davor, die Hände in die Seiten gestemmt. Während David zusah, bedeutete er dem ersten der ordentlich in einer Reihe geparkten Laster, sich nun zu nähern. Augenblicklich bewegte sich das vorderste Gefährt rückwärts auf den offenen Frachtraum des Flugzeugs zu. David nahm es mit freudiger Erregung zur Kenntnis, doch zu seiner großen Enttäuschung glitt der Laster so weit die Rampe hinauf, daß ihm der Umladevorgang verborgen bleiben
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