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Hongkong 02 - Noble House Hongkong

Hongkong 02 - Noble House Hongkong

Titel: Hongkong 02 - Noble House Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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    23.45 Uhr:
    Er hieß Ian Dunross und steuerte seinen alten MG-Sportwagen vorsichtig um die Ecke in die Dirk’s Street, die an dem Struan’s Building auf der Hafenseite von Hongkong entlangführte. Die Nacht war dunkel und windig. In der ganzen Kolonie – hier auf der Insel Hongkong, jenseits des Hafens in Kowloon und in den New Territories, die Teil des chinesischen Festlandes waren – lagen die Straßen fast völlig ausgestorben da; alles war verschalt und verschalkt und wartete auf den Taifun Mary. Bei Einbruch der Dämmerung war die Sturmwarnung aufgezogen worden, und schon brachen Böen mit achtzig bis hundert Knoten aus dem Sturm hervor, dessen Front sich tausend Meilen nach Süden erstreckte. Sie peitschten den Regen horizontal gegen die Dächer und Bergabhänge, wo sich Zehntausende schutzlos in ihren aus verfallenen Hütten bestehenden Elendsquartieren drängten.
    Geblendet verlangsamte Dunross die Fahrt. Der Wind zerrte am Kabriodach, und die Scheibenwischer wurden mit der Regenflut nicht fertig. Dann wieder erlaubte die Windschutzscheibe sekundenlang freie Sicht. Am Ende der Dirk’s Street, genau vor ihm, lagen die Connaught Road und die Praya, die Kaimauern und der breite Klotz des Stationsgebäudes der Golden Ferry.
    Vor sich auf der Praya sah er eine verlassene Bude, die von einer Bö aus ihrer Verankerung gerissen, auf einen geparkten Wagen geschleudert wurde und ihn schwer beschädigte. Dann schossen Wagen und Bude davon und verschwanden aus seiner Sicht. Die Luftwirbel ließen seinen Wagen erzittern, aber er hatte sehr kräftige Handgelenke und hielt das Steuerrad fest. Der Wagen war alt, doch gut erhalten; der hochgezüchtete Motor wie auch die Bremsen befanden sich in bestem Zustand. Sein Herz klopfte in angenehmer Erregung, denn er liebte den Sturm. Vorsichtig fuhr er auf den Gehsteig hinauf und parkte auf der windgeschützten Seite des Gebäudes.
    Dunross war Anfang Vierzig, blond und blauäugig, mager und gepflegt. Er trug einen alten Regenmantel und eine Mütze. Der Regen durchnäßte ihn, als er die Seitenstraße entlanglief, um die Ecke bog und auf den Haupteingang des zweiundzwanzig Stock hohen Gebäudes zueilte. Über dem breiten Tor hing das Wappen der Struans: der rote Löwe Schottlands mit dem grünen Drachen Chinas verschlungen.
    Er schritt die breite Treppe hinauf.
    »Guten Abend, Mr. Dunross«, begrüßte ihn der chinesische Concierge.
    »Der Tai-Pan hat mich rufen lassen.«
    »Ja, Sir.« Der Mann drückte den Aufzugsknopf für ihn.
    Als der Aufzug hielt, durchquerte Dunross den kleinen Vorraum, klopfte und betrat das Wohnzimmer des Penthouse. »Guten Abend, Tai-Pan«, sagte er mit kalter Förmlichkeit.
    Alastair Struan lehnte am Kamin. Er war ein großgewachsener, rotbackiger, gepflegter Schotte Mitte Sechzig, mit einem Bäuchlein und weißen Haaren. Seit elf Jahren herrschte er über Struan’s.
    »Drink?« Er deutete auf den Dom Pérignon in einem silbernen Sektkübel.
    »Danke.« Dunross war noch nie in der Privatwohnung des Tai-Pan gewesen. Das Zimmer war geräumig und gediegen eingerichtet: chinesische Lackarbeiten und wertvolle Teppiche, alte Ölbilder der ersten schnellen Segler und Dampfschiffe des Unternehmens an den Wanden. Die großen Panoramafenster, von denen aus man sonst ganz Hongkong, den Hafen und Kowloon jenseits des Hafens überblicken konnte, waren schwarz und regennaß.
    Er schenkte ein. »Zum Wohle«, sagte er förmlich.
    Alastair Struan nickte und hob sein Glas mit der gleichen Förmlichkeit. »Du bist früh dran.«
    »Fünf Minuten zu früh nennt man pünktlich, Tai-Pan. Hat Vater mir das nicht eingehämmert? Ist es übrigens so wichtig, daß wir um Mitternacht zusammentreffen?«
    »Ja. Es ist Teil unseres Brauches. Von Dirk festgelegt.«
    Dunross nippte an seinem Glas und wartete stumm. Die antike Schiffsuhr tickte laut. Über dem Kamin hing das Hochzeitsbild einer jungen Dame. Das war die sechzehnjährige Tess Struan, die Culum, den zweiten Tai-Pan und Dirk Struans Sohn, geheiratet hatte.
    »Scheußliches Wetter«, bemerkte Dunross.
    Der Ältere sah ihn nur an. Haß malte sich auf seinen Zügen. Die Stille wurde dichter. Dann schlug die alte Uhr acht Glasen. Mitternacht.
    Es klopfte an der Tür.
    »Herein«, sagte Alastair Struan erleichtert; er war froh, daß sie jetzt anfangen konnten.
    Lim Tschu, der Kammerdiener des Tai-Pan, öffnete die Tür. Er trat zur Seite, um Philip Tschen, Struans Comprador, einzulassen. Als Comprador war dieser der

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