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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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nicht«, sagte ich, und dabei wunderte ich mich selbst, warum ich plötzlich ohne Grund so unfreundlich war. Ich schaute aus dem Fenster, mitten im baumlosen kleinen Hof hatte sich der Hausverwalter in seinem Dreiteiler aufgebaut, die Hände in die Hüften gestemmt, als betrachte er seine Ländereien. Als er aus irgendeinem Grund dann sein mit runden Brillengläsern aufgebrezeltes Gentlemangesicht hob und mich direkt ansah, duckte ich mich instinktiv, wie blöd, wie blöd, wie blöd, er hat mich garantiert gesehen, musste das sein, musste das wirklich sein.
    »Hallo«, brüllte mein Sohn. »Hörst du?«
    »Ich muss aufhören«, flüsterte ich. Er wollte wissen, warum ich flüsterte. Ich wusste es nicht, hätte es aber gern gewusst. Ich räusperte mich, suchte nach Farbe und Vibration für die Stimmlippen und sagte: »Eine Freundin von mir kommt zu Besuch.« Wieder hörte ich aus dem Telefon meine eigene und gleichzeitig völlig fremde, hallende und knarrende Stimme mit gerade eben wahrnehmbarer Verzögerung.
    »Ich hab sogar einen Grund, warum ich anrufe, aber wir telefonieren dann später.«
    »Tschüs«, flüsterte ich, riss mir das Telefon vom Ohr und knuffte mit dem Daumen das rote Hörersymbol. Ich traf aber nicht, und einen Moment lang drang lautes Getöse und fast so etwas wie Gezänk aus dem Telefon, vielleicht hatte der Junge irgendwo am anderen Ende Probleme, die in die gleiche Richtung gingen. Schließlich wurde es still. Ich blickte auf das Gerät, in dessen Fenster langsam das Licht ausging, dann schaute ich wieder nach draußen, wo ein mit Zetteln in unterschiedlichen Farben ausgerüsteter, früh erglatzter Heini von einem Hauseingang zum nächsten wankte und an den verschlossenen Türen rüttelte. Er sah aus, als wäre er zeit seines Lebens kein einziges Mal selbstsicher durch eine Tür getreten. Der äußeren Erscheinung nach war er im Auftrag Gottes unterwegs. Irgendwie tat er mir leid.
    Der Verwalter, der kurz zum Lauern abgetaucht gewesen war, tauchte blitzschnell wieder auf und scheuchte den Eindringling davon.
    Schließlich wandelte ich meine Gedanken in Taten um und machte sauber, ging in die Markthalle, kochte, und dann war es auch schon Abend, den ich damit verbrachte, ohne zudenken fernzusehen. Ich ging schlafen und hatte irgendwie gelockte Träume, womöglich deswegen, weil mir bewusst war, dass ich einen Friseur nötig hatte; ich wachte auf, durchlebte einen weiteren, ziemlich gleichförmigen Tag, dann einen dritten und vierten. Mein Sohn rief an, konnte es jedoch nicht bewerkstelligen, sein Anliegen vorzutragen, ich beendete die Gespräche jedes Mal schnell. Tagsüber schien die Sonne, die Bäume röteten sich immer stärker und wurden dann in einer windigen Nacht schütter, endlich kühlte es ab, und ich bummelte gewissermaßen durch diese Tage, erfasst von einer lauen und etwas wässrigen guten Laune. Nichts kam mir besonders gut vor, aber andererseits auch nichts sonderlich schlecht; es gab Essen, es gab die Routine, die zwei Fenster und eine Tür zum Hinausgehen, die abendlichen Spaziergänge, den nüsternweitenden Duft des Herbstes, die Zeitung, das Radio, den Fernseher, auch den Computer.
    Mit Letzterem stand ich allerdings eine ganze Weile auf Kriegsfuß, bis ich mich am Abend des vierten Tages davorsetzte und mich an die Arbeit machte. Eine geraume Zeit ging dabei drauf. Noch am nächsten Tag und Abend saß ich entweder am Ess- oder am Arbeitstisch und legte natürlich die wenigen Meter zwischen den beiden Sitzpunkten zu Fuß zurück; es war schwer, einen Namen dafür zu finden, aber irgendein Phantomschmerz oder etwas anderes, quasi ständig Anwesendes hatte sich bei mir einquartiert.
    Unmerklich rastete der Abend in die Nacht ein. Draußen kündigte sich Sturm an. Es wehte aufbrausend, Regenschauer prasselten schräg ans Fenster. Fast das gleiche Geräusch ging von den Tasten aus, auf die ich stürmisch Multiple-Choice-Fragen herabregnen ließ. Zuerst wurde mir warm, dann heiß,hinter der Stirn prallten überspannte Sachzusammenhänge gegeneinander und hielten mich auf Trab, ich musste aufpassen, genau sein. Die Nacht schritt voran und wurde dicker und nasser, nur noch die winzige Bibliothekslampe mit dem grünen Schirm erleuchtete vom Nachttisch aus das Zimmer, der Computer knickste und knackste nachdenklich vor sich hin und stieß heiße Seufzer aus. Ich ließ einen Ausdruck nach dem anderen ins Auffangbecken des Druckers flattern.
    Als ich den Computer ausschaltete, sah mich

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