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Der Tag der roten Nase

Der Tag der roten Nase

Titel: Der Tag der roten Nase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikko Rimminen
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vorbeiging, als könnte mir von dort doch noch ein luftiges Betrunkenengespenst etwas hinterherrufen.
    Dann hatte ich auch schon die Ampel am Markt erreicht, fast ohne es zu merken, und erlebte einen Augenblick, in demman plötzlich erkennt, dass man eigentlich nicht weiß, wo man hinwill, und einem dann sogar noch klar ist, dass man es auch gar nicht wissen will. Ein bisschen so, als wäre man in eine Fallgrube gestürzt und wollte nicht daran denken, wie man hineingeraten war: aus Dummheit. Als dächte man hartnäckig, was ist schon dabei, andererseits.
    Die Autos grollten, rollten und sausten vorüber. Ich zwang mich, über den Zebrastreifen zum Markt hinüberzuhopsen. Dort blieb ich stehen; mich umwehte das menschliche Formen- und Geruchsspektrum wie Wind. Die Bushaltestelle war schwarz von Herdentieren.
    Der Bus kam sofort. Ich ließ ihn fahren.

Auf dem Markt wurde wortkarg Handel getrieben und schüchtern herumgehangen, es duftete nach dem hiesigen Paradies des Blumenstandes, man hörte das Klingen von Rentiergeweihen und Windspielen und das Geschrei der Möwen. Das Zelt des Fischhändlers schnaubte einen stechenden Geruch aus, Kunden waren keine zu sehen, der Händler starrte düster und besorgt auf einen riesigen Räucherlachs und kratzte sich den prallen Bauch. Dabei kam mir im Vorübergehen auch der Gedanke, ob der Mann sich womöglich allein aus Gründen der Glaubwürdigkeit die Schürze, die seine Wampe umspannte, mit Blut besudelt hatte.
    Ich setzte mich ins Kaffeezelt, trank Kaffee und betrachtete die vorbeikwatschende Menschenpaste. Plötzlich fühlte ich mich wieder unruhig und fiebrig, ein heißer, roter Punkt pochte an der linken Seite meines Kopfes: Kerava, von allen Orten in Finnland und auf der Welt ausgerechnet Kerava. Ich dachte an die vollkommen gegensätzlichen Leben der Jokipaltios und der Jalkanens; an die unterschiedlichen Welten ihrer Uhren, Becher und Tassen, an die Wand, die ihre Wohnungen trennte; ich fragte mich, wie es ihnen allen ging. Dann war es auf einmal schwierig, diese Gedanken im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu halten. Ich musste aufstehen. Ich musste aufstehen und gehen.
    Aufstehen und gehen musste ich, und ja, ich stand auch aufund ging, bloß dass ich wieder nicht wusste wohin, auch wenn die Richtung sich von selber wählte, weg von zu Hause, aus irgendeinem Grund. Der Weg führte über den Marktplatz, flink wich ich dem Aktentaschen- und Plastiktütenvolk aus, das zur U-Bahn-Station rüpelte, und dann einem ungefähr mülltonnengroßen Ufertippelmenschen, der wie ein Kobold oder ein Wichtelmännchen aussah und mit seinem knotigen Stock vor einem geschlossenen Imbiss in der Luft herumfuchtelte. Dann war ich auch schon wieder auf einem Fußgängerüberweg und sprang auf dessen Tasten in Richtung Merihaka.
    Ich schlug den Weg zur Viherniemenkatu ein, erreichte sie auch im Nu, passierte den lärmend gelben Supermarkt an der Ecke und ging weiter. Viel war in dem Straßenstummel nicht zu sehen, ein paar geparkte Autos und Haustüren und ein Antiquariat und dann ein dubioses Firmenkonglomerat, in dem Wäscherei-, Visum- und Massagedienste angeboten wurden, und dann stand ich auch schon unter einer etwa auf halb stehenden, vermutlich ziemlich genau gehenden Pepsi-Uhr. Darunter befand sich ein Hauseingang samt Klingelbrett, auf dem sich ein Haufen Namen und abgegriffene, schwarze Bakelitknöpfe drängten, ich stand davor und starrte sie an, aus irgendeinem Grund nicht die Namen, sondern die Knöpfe. Es war schwer, sich vernünftige Gründe für das Fortsetzen des Weges wie auch fürs Stehenbleiben auszudenken, und so blieb ich eben stehen, stand da und starrte auf die Tür, aus deren Scheibe eine Gestalt zurückguckte, eingewickelt in einen Mantel wie ein Souvenir aus Holz, das man in Zeitungspapier eingeschlagen hat, und ich durfte ziemlich lange so dastehen, bis im Treppenhaus das Licht anging und das Spiegelbild sich mit einem heranschreitenden Unbekannten füllte.
    Ganz Hakaniemi verschwamm in der Scheibe, als die Tür aufschwang. Ein so eindrucksloser Mann trat heraus, dass er schon dadurch unvergesslich wurde. Mit einem Satz war ich an der Tür und erwischte den Knauf, bevor sie ins Schloss fiel. Ich blickte mich um: Der Mann war stehen geblieben und sah mich an, wie man einen zumindest Unbefugten ansieht. Da mir sonst nichts einfiel, fing ich an, Papiere aus der Tasche zu nesteln und mit nickendem Kopf und gespitzten Lippen auf die Namenstafel im Treppenhaus zu

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