Der Tag der zuckersueßen Rache

ist das auch der Grund, warum er überhaupt Richter wurde, aber im normalen Leben sehe ich ihn nie mit Perücke. Im Fernsehen habe ich mal gesehen, dass man sich Kopftransplantate pflanzen lassen kann, und ich finde, es ist wirklich eine Tragödie, wenn man kahl ist und sich keine Kopftransplantate zulegt. Mein Dad hat mir übrigens nachdrücklich und mit großer Begeisterung zugestimmt, als ich darauf hinwies, dass Lydias Dad sich ein Kopftransplantat besorgen sollte.
    Viele Grüße
Emily Thompson
    PS: Oje, ich habe ganz den Grund für diesen Brief vergessen! Er sollte Dir zeigen, dass man von Lydias Dad lernen kann. Immerhin ist er kahl und die Frauen finden ihn trotzdem attraktiv!
    PPS: Du kannst echt was von ihm lernen, denke ich.
    PPPS: Ich habe ziemlich lange darüber nachgedacht, als wir
neulich bei Lydia waren. Mir ist aufgefallen, dass ihr Vater oft
mit Freunden im Spielzimmer der Familie herumhängt und Billard spielt. Er scheint echt gut Billard zu spielen und bewirtet
seine Freunde dabei mit Brandy und Zigarren und gibt weltmännische Kommentare über Tabak von sich. Er kann aber
nicht nur weltmännisch, sondern auch sehr albern sein. Zum
Beispiel kamen wir am Wochenende ins Billardzimmer, weil wir
eine Runde spielen wollten, während wir unsere Pizza aßen,
und er war gerade mit zwei Frauen dort. Er setzte einen italienischen Akzent auf und sagte: »Salami, eh? Mamma hat-te Salamipizza gemacht, eh?« Kaum zu glauben, aber die beiden Frauen kicherten. Dann sprach er mit französischem Akzent und
sagte uns, wir sollten ihn allein lassen, weil er gerade Besuch
von mon cheries hätte, und zeigte dabei auf die kichernden Frauen.
    Wie schon gesagt, er ist eben ein echter Frauenheld,
und Du solltest Dir ein Beispiel an ihm nehmen.
     
     
     
    Liebe Emily, danke für deinen Rat mit der Salamipizza und den Kopftrans plantaten.
Meine Brüder sitzen jeden Tag nach der Arbeit auf der Veranda
und trinken Bier. Das bedeutet, sie sind Alkoholiker.
Ich sitze gerade bei ihnen draußen und friere mir den Hintern ab
in der Dunkelheit, während ich versuche, im Schein ihrer Zigaretten auf dieses Blatt zu schreiben. So lange ich denken kann, reden sie schon davon, eine Feuerstelle hinter der Veranda zu bauen, damit wir es hier draußen warm haben, aber nie packen sie es an; sie reden nur immer davon, dass sie es machen würden. Heute habe ich keinen einzigen Socken zum Anziehen gehabt, weil Jessica alle geklaut hat, um ihre Würmer zu wärmen. Sie hat eine Wurmfarm in einer Mülltonne im Garten, die schrecklich stinkt. Meine Mutter lag dagegen den ganzen Nachmittag in der Badewanne, um den Nervenzusammenbruch zu überwinden, den sie wegen Jess’ Tätowierung hatte. Deshalb stinkt das Bad ebenfalls, allerdings nach dem Jasminbadeöl, das Mum schläfrig machen soll. Seltsam, dass Du sagst, Jungs würden schlecht riechen. Bei uns in der Familie sind es die Frauen.
    Bis dann
Charlie
     
     
    Lieber Charlie,

manchmal denke ich, dass ich für einen Teenager schon viel z u
    viel gesehen habe. Ich war schon in Spanien, Frankreich, Italien,
     England und in den USA. Was bleibt da noch? Ich bin definitiv
     kosmospolitischer, als mir gut tut.
     Junge, habe ich mal wieder einen Hunger.
     Hast Du je daran gedacht, von zu Hause wegzulaufen? Ich würde
     weglaufen, wenn ich Deine Familie hätte. In meiner Stufe gibt es
     ein Mädchen namens Celia Buckley, die andauernd wegrennt,
     aber ich glaube, das liegt daran, dass sie eben diese Art Mädchen
     ist. Letztes Jahr ist sie nach Las Vegas getürmt.
    Nein, es war nicht Las Vegas, es war ein Zirkus. Ein Zirkus! Sehr bizarr und ausgesprochen traumtänzerisch. Warte, ich hole mir eine Tasse Tee. O.k., ich bin wieder da und ES GIBT KEIN ESSEN IN DIESEM HAUS . Wie soll man seinen Tee trinken, ohne etwas dabei zu essen? Ich war so hungrig, dass ich die Tragflächen des Schokoladenflugzeugs abbrechen und aufessen musste. Mein Bruder hat es mir nämlich am Ende doch nicht geschenkt, sondern mit einer Schnur an die Lampe über seinem Bett gehängt. Das kommt mir nicht nur ziemlich gefährlich vor, sondern auch extrem verschwenderisch. Meine Mutter ist über das Wochenende nach Bowral gefahren, zu einer Konferenz mit den Partnern ihrer Anwaltskanzlei. Mein Vater ist auf Geschäftsreise in San Francisco. Das bedeutet, dass ich dieses Wochenende meine Pferde nicht sehen kann, weil mich niemand zu unserem Ferienhäuschen an der Südküste fährt, wo sie untergebracht sind.