Der Tag der zuckersueßen Rache

weggeschnappt, der zufälligerweise auch noch unser Stufensprecher ist. Außerdem verschafft er sich in jedem Theaterstück, das an unserer Schule gespielt wird, die Hauptrolle. Ich finde ja, Stufensprecher und Theatersuperstar zu sein, sollte ihm genügen. Aber nein, er muss auch noch Christina Kratovac zur Freundin haben. Sie ist echt der heißeste Feger unter der Sonne.
    *
    ENTSCHULDIGE . Ich musste aufhören. Der Rauchmelder ging los und hat die Sprinkleranlage in unserem Klassenzimmer aktiviert. Wahrscheinlich kannst Du diesen Brief gar nicht mehr lesen, weil er so durchgeweicht ist. Ich bin pitschnass. Das Gute ist, dass unser Test über die Geografie Südafrikas deshalb ausfällt. Ich muss los, mich umziehen.
    Bis dann
Charlie
     
     
    Lieber Charlie,
wenn Du »Mädels anbaggern« schreibst, habe ich das Bild von einem Bagger fahrenden Jungen im Kopf, der mit seiner riesigen Baggerschaufel einer Horde schreiender Mädchen hinterherjagt. Kein sehr schöner Anblick, finde ich. Deswegen verwende diesen Ausdruck bitte nicht mehr. Außerdem finde ich nicht, dass Du ein Mädchen als den »heißesten Feger unter der Sonne« bezeichnen solltest. Es könnte beispielsweise diejenige beleidigen, der Du schreibst. Woher weißt Du, dass nicht das Mädchen, mit dem Du in Briefkontakt stehst, in Wirklichkeit der heißeste Feger unter der Sonne ist? Ich sage nicht, dass es so ist, ich nenne Dir lediglich eine hypotatische Situation, die zeigen soll, dass Du möglicherweise jemanden beleidigen könntest. Aber Du scheinst ja noch sehr unerfahren zu sein, deshalb verzeihe ich Dir. Vielleicht sollte ich Dir ein bisschen Nachhilfe darin geben, wie man ein Mädchen um ein Date bittet. Dann wird es Dir bestimmt auch gelingen, Dich mit dem Mädchen zu verabreden, dem Dein Herz gehört, dieser Christina. Aber jetzt warten gerade Lydia und Cassie auf mich. Sie schauen mir über die Schulter und versuchen mitzulesen, sodass ich mich kaum konzentrieren kann. Wir fahren gleich mit dem Zug zu Lydia, weil wir das Wochenende bei ihr verbringen und ihr Zimmer streichen wollen. Lydia sagt, ich soll Dir noch erklären, dass wir nicht einfach nur die Wände anmalen werden wie jeder x-beliebige Maler, sondern dass wir ein Wandgemälde kreieren wollen. Jede von uns bekommt eine Wand, die vierte Wand ist zum Üben da. Aber ich glaube nicht, dass ich Dir das erklären muss. Warte kurz, dann frage ich Lyd und Cass, wie für sie die perfekte Einladung zu einem Date aussehen müsste. Also, Lydia sagt, es müsste so laufen: Erstens müsste es dieser blonde Typ mit dem Nasenstecker sein, der im Musikladen in Castle Hill arbeitet. Er würde ihr eine CD verkaufen und dann würde er einen kleinen roten Zettel in die CD-Hülle stecken, auf dem eine Uhrzeit und ein Ort stehen. Sie würde nicht einmal wissen, was das soll und ob er es ernst meint, und wenn sie dann zu der Adresse kommt, würde da ein Kellner an der Tür stehen, seine Hände an einem weißen Tuch abreiben und mit russischem Akzent zu ihr sagen: »Sind Sie Lydia? Ich habe eine Nachricht für Sie. Gehen Sie hinein. Gehen Sie zum zweiten Aufzug von links und drücken Sie den ›Aufwärts‹-Knopf.« Und sie würde zum Aufzug gehen und da würde dann eine elektrische Gitarre an der Tür
lehnen . . . LYDIA HÖRT GAR NICHT MEHR AUF ZU REDEN UND ICH WERDE KEIN
EINZIGES WORT MEHR AUFSCHREIBEN. LYDIA, DU MUSST LERNEN, DICH ZU BEHERRSCHEN. Ich frage lieber Cass.
Cass sagt, der Typ müsste nur Brad Pitt sein und er müsste sie
einfach anrufen und sich mit ihr verabreden.
Ich weiß nicht genau, ob sie die Frage richtig verstanden haben,
aber jetzt hast Du wenigstens ein paar Anregungen, über die Du
nachdenken kannst. Du könntest Dir zum Beispiel überlegen, Dir
die Nase piercen zu lassen.
So, ich muss los, weil die beiden mir den Stift aus der Hand reißen wollen, wie Du an meiner Schrift erkennen kannst.
    Viele Grüße
Emily
     
     
    Hallo Emily,
danke für Deinen Brief mit den guten Ratschlägen. Ich würde ja ernsthaft darüber nachdenken, mir ein Nasenpiercing zuzule gen, wenn wir nicht gerade eine Familienkrise hätten, weil Jess erst vor Kurzem mit einer Stacheldrahttätowierung ums Handgelenk nach Hause gekommen ist. Seitdem heult meine Mum sich die Augen aus und mein Vater hat ein Loch in die Küchen-wand geboxt. Mein Bruder Kevin hat die Sache nicht gerade besser gemacht, denn er kam mit einem gebrochenen Herzen nach Hause und einem Eimer schwarzer Farbe, um sein Zimmer anzumalen. Ein