Der Talisman (German Edition)
Gartenteich, ohne dass Mutter Gössler auch nur das Geringste davon bemerkte.
Die Jahre vergingen
und viel
zu schnell war die Zeit der Veränderung gekommen. Die Gösslers hatten sich umarmt und weinten. »Yasha ist bereit für seine große Aufgabe. Wir müssen ihn auf die Suche nach seinen Eltern schicken, das haben wir Clara und Laszlo versprochen!«, sagte Vater Gössler zu seiner Frau: »Hat das nicht noch ein wenig Zeit? Er ist noch so jung! Meinst du, unser Yasha ist Olav Zürban schon gewachsen?«, schluchzte Frau Gössler leise und große Tränen kullerten aus ihren Augen. »Vertrau dem Jungen! Er muss seine Eltern finden, das ist die einzige Möglichkeit, um den Trennungsfluch zu brechen. Wir dürfen ihn nicht aufhalten!«, antwortete Vater Gössler seufzend.
Yasha rutschte mit Schwung über das Treppengeländer nach unten. Er war heute früher aufgestanden als sonst und hatte sich schnell fertiggemacht. Sogar seine Schultasche stand schon gepackt neben der Haustür. Das hatte natürlich einen guten Grund, denn heute war sein zwölfter Geburtstag!
Nach dem
Frühstück ging
Mutter Gössler endlich ins Wohnzimmer und zündete die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen an. Wie immer raschelte sie geheimnisvoll mit den Geschenken und zupfte umständlich die Schleifen zurecht, bevor sie rief: »Yasha, Geburtstagskind! Du kannst reinkommen!« »Zwölf Kerzen sind schon eine Menge«, dachte Yasha und holte tief Luft, um sie mit einem Mal auszublasen. Dann nahm er das erste Geschenk vom Tisch. Yasha zerrte und zog vergeblich am Geschenkband, doch die kleine rote Schleife weigerte sich aufzugehen. Lächelnd reichte ihm Mutter Gössler eine Schere. Schnipp, schnapp – das Papier raschelte und ein kleines Taschenmesser kam zum Vorschein. Yasha strahlte übers ganze Gesicht. Genau so ein Messer hatte er sich schon so lange gewünscht! Er umarmte Mutter und Vater Gössler und gab jedem einen dicken Kuss, so sehr freute er sich.
Am Schluss lag nur noch ein kleines in blaues Seidenpapier eingeschlagenes Päckchen auf dem Tisch. Rasch wickelte Yasha es aus. Erstaunt nahm er den Gegenstand, der an einem dunklen Stoffband hing, in die Hand. »Das ist ja eine Schmetterlingskette!«, rief er erstaunt aus. Die Gösslers nickten: »Ja, Yasha, die hat dein richtiger Vater für dich hiergelassen. Dieser Talisman wird dir helfen, das Schicksal deiner Familie zum Guten zu wenden«, antwortete Vater Gössler und erzählte Yasha die Geschichte von Clara und Laszlo Dvorach. Andächtig band sich Yasha den Talisman um.
In der Nacht
hatte Yasha einen
seltsamen Traum. Der Talisman begann in sanften Rottönen zu leuchten. Leise knarrend öffnete sich die Tür zum Kinderzimmer und Laszlo Dvorach setzte sich auf die Bettkante. »Yasha, ich bin es, dein Vater. Wir haben dich damals bei unseren Freunden, den Gösslers, versteckt, als Olav Zürban den Trennungsfluch ausgesprochen hatte. Wenn es ihm gelingt, dich in seine Gewalt zu bekommen, wird er deine Seele zerstören. Dann wirst du aufhören zu existieren und eine willenlose Kreatur des Bösen sein. Pass gut auf den steinernen Schmetterling auf! Dieser Talisman ist seit ewigen Zeiten Beschützer, Freund und Ratgeber unserer Familie. Eines musst du wissen: Verwende den Talisman nur für gute Zwecke. Missbrauche ihn nicht! Es schwächt ihn, wenn er für selbstsüchtige, eigennützige und egoistische Zwecke benutzt wird.
Die weißmagischen Kräfte
des steinernen
Schmetterlings sind so stark, dass Olav Zürban ihn nicht einmal berühren kann. Der Schwarzmagier ist ein gefährlicher Gegner. Er kann jede Gestalt annehmen, aber an seinem zweifarbigen Blick wirst du ihn erkennen. Vertraue auf dich, Yasha! Du bist ein ganz besonderer Junge. Schon als Kleinkind bist du mit dem steinernen Schmetterling in Kontakt getreten. Du wirst uns finden und den Bann brechen. Deine Mutter und ich, wir lieben dich!«
Laszlo Dvorach erhob sich und strich seinem Sohn sanft übers Haar. Langsam wurde seine Gestalt durchsichtig, bis sie schließlich ganz verschwand. Dann wurde es ganz still im Kinderzimmer und der Talisman kühlte ab.
Mitte April
sah Yasha die ersten
Zugvögel über das Dorf hinwegziehen. Es waren Schwäne und Gänse, die in großen v-förmigen Schwärmen vor einem strahlend blauen Frühlingshimmel in Richtung Norden flogen. Das war für Yasha das Zeichen, dass er die Suche nach seinen richtigen Eltern beginnen sollte. Sehnsüchtig blickte er den Vögeln hinterher – wie frei sie doch
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