Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
Vom Netzwerk:
Sie?«
    »Ich bin auf die I . U . P . U . I . gegangen.«
    Dank der unbeschränkten Machtvollkommenheit, die mir der Herr Bürgermeister Peterson für das ganze Jahr 2007 verliehen hat, benenne ich hiermit die I . U . P . U . I . in »Tarkington University« um.
    »Tag, ich war auf der Harvard-Uni, und Sie?«
    »Ich bin auf die Tarkington-Uni gegangen.« Hat doch Klasse, oder?
    Beschlossen und verkündet.
    Die Zeit wird vergehen, und niemand wird mehr wissen oder wissen wollen, wer Tarkington war. Ich meine, wen schert es heute noch den Gegenwert eines Rattenarschs, wer Butler
war? Wir sind hier in der Clowes Hall, und ich habe sogar noch einige echte Clowes’ gekannt. Nette Leute.
    Aber eins will ich Ihnen sagen: Ich stünde heute abend nicht vor Ihnen, wären Leben und Werke von Booth Tarkington, einem gebürtigen Indianapoletaner, nicht so ein leuchtendes
Beispiel gewesen. Während seines Lebens, 1869 bis 1946, welches sich vierundzwanzig Jahre lang mit meinem Leben überschnitt, wurde Booth Tarkington ein wunderbar erfolgreicher und
angesehener Autor von Stücken, Romanen und Kurzgeschichten. Sein Spitzname in der literarischen Welt, ein Spitzname, für den ich alles geben würde, war »der Gentleman aus
Indiana«.
    Als kleiner Junge wollte ich sein wie er.
    Wir haben uns nie kennengelernt. Ich hätte nicht gewußt, was sagen. Ich wäre vor lauter Heldenverehrung durchgedreht.
    Ja, und dank der unbeschränkten Machtvollkommenheit, die mir der Herr Bürgermeister Peterson für das ganze Jahr 2007 verliehen hat, fordere ich, daß
jemand unter den Anwesenden hier in Indianapolis eine Inszenierung von Booth Tarkingtons Stück Alice Adams auf die Beine stellt.
    Durch eine süße Fügung hieß meine verstorbene Schwester, eine einsachtzig große Wuchtbrumme von einer Blondine, nachdem sie geheiratet hatte,
ebenfalls Alice Adams. Sie liegt jetzt mit unseren Eltern und Großeltern und Urgroßeltern und James Whitcomb Riley, dem höchstbezahlten amerikanischen Schriftsteller seiner Zeit,
in Crown Hill.
    Wissen Sie, was meine Schwester Allie immer sagte? Sie sagte immer: »Die erste Hälfte des Lebens ruinieren einem die Eltern, die zweite Hälfte ruinieren einem die
Kinder.«
    James Whitcomb Riley, »der Bohnenfresserpoet aus Indiana«, war der bestbezahlte amerikanische Schriftsteller seiner Zeit, 1869 bis 1916, weil er seine Lyrik
gegen Geld in Theatern und Aulen vortrug. So entzückt waren gewöhnliche Amerikaner von Lyrik. Können Sie sich das vorstellen?
    Wollen Sie wissen, was der große französische Schriftsteller Jean-Paul Sartre einmal sagte? Er sagte, natürlich auf französisch: »Die Hölle, das
sind die anderen.« Er weigerte sich, einen Nobelpreis anzunehmen. So unhöflich hätte ich nie sein können. Ich wurde von unserer afro-amerikanischen Köchin
großgezogen, welche Ida Young hieß.
    Während der Großen Depression hörte man afro-amerikanische Bürger, natürlich neben vielem anderen, dies sagen: »Es steht so schlecht, daß
die Weißen bereits ihre eigenen Kinder großziehen müssen.«
    Aber ich wurde nicht ausschließlich von Ida Young großgezogen, einer Urenkelin von Sklaven, die intelligent, freundlich und ehrenhaft war, stolz und gebildet, gewandt im Ausdruck,
rücksichtsvoll und von angenehmem Äußeren. Ida Young liebte Lyrik und las mir gern Gedichte vor.
    Außerdem wurde ich von Lehrern an der Schule Nr.43, der James Whitcomb Riley School, und dann an der Shortridge High School großgezogen. Damals waren gute Volksschullehrer
Lokalberühmtheiten. Dankbare ehemalige Schüler, längst erwachsen, besuchten sie und erzählten ihnen, wie sie sich so machten. Und auch ich war ein solcher sentimentaler
Erwachsener.
    Aber schon vor langer Zeit sind all meine Lieblingslehrer den Weg der meisten Eisbären gegangen.
    Das Allerbeste, was man im Leben sein kann, ist Lehrer, vorausgesetzt, man ist bis über beide Ohren in das, was man lehrt, verknallt, und die Klasse, die man unterrichtet,
besteht aus achtzehn Schülern oder weniger. Klassen mit achtzehn oder weniger Schülern sind eine Familie und fühlen und benehmen sich wie eine solche.
    Als meine Klasse in der Schule Nr.43 ihren Abschluß machte, lief gerade die Große Depression, die Geschäfte gingen schlecht, es gab fast keine Jobs,
Hitler übernahm Deutschland, und wir alle sollten schriftlich dartun, was wir als Erwachsene zu tun gedächten, um die Welt zu verbessern.
    Ich schrieb, ich würde den Krebs mit Chemikalien

Weitere Kostenlose Bücher