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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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weckte, und wenn ich Liebe sage, so meine ich deren fleischlichste Form.«
    »Hören Sie auf, O'Key, haben Sie Mitleid mit mir.« Dem Kommissar standen große Schweißtropfen auf der Stirn. Aber der Staatsanwalt war aufgestanden; die Rollen schienen vertauscht zu sein, denn nun war es Herr de Morsier, der, einem Reporter gleich, mit gezücktem Bleistift und hungrigem Notizbuch, vor O'Key stand und sagte:
    »Mein Herr, Ihre Ausführungen sind interessant, besonders die Namen, die Sie nannten, die Namen der Arzneimittel, haben einen wohlklingenden Laut. Darf ich um deren genaue Angabe bitten, ich gedenke, sie in einem Sonnett zu verwerten, das ich Ihnen widmen werde.«
    O'Key verbeugte sich geschmeichelt.
    Es war schon halb drei Uhr – vierzehn Uhr dreißig für Liebhaber moderner Zeitberechnung – als der Kommissar und der Reporter endlich zum Essen kamen. Sie hatten einen Umweg über das Spital gemacht: Dr. Thévenoz war nicht zu sprechen, aber Wladimir Rosenstock war entzückt, sein medizinisches Licht leuchten lassen zu dürfen. Die gleichen Erscheinungen, ließ er sich vernehmen, die man auch bei dem verstorbenen Crawley habe feststellen können. Hemmung aller Sekretionen, Schweiß- und Speichelabsonderung versiegt, Trockenheit im Munde, im Schlunde und in der Nase, Behinderung des Schling- und Sprechvermögens, Lähmung des Auerbachschen Plexus, scharlachgerötete, heiße trockene Haut, zeitweilige Erregungszustände. Man habe alles versucht, Magenspülung, kombinierte Kampfer- und Morphiuminjektionen. Aber der Mann sei alt, es bestehe wenig Hoffnung, ihn über den Berg zu bringen.
    Und wann etwa der Mordversuch anzusetzen sei? wollten die beiden Herren wissen. Rosenstock machte einige Schlittschuhläuferschritte durchs Zimmer. Das sei schwer zu sagen, meinte er, der Apotheker sei gefunden worden, wann? Um halb elf etwa? Und gegen zwölf Uhr sei er eingeliefert worden? Die akuten Symptome seien da schon ziemlich zurückgegangen… Ob die Herren keinen Anhaltspunkt hätten? Da meldete sich O'Key und teilte mit, daß ein Zeuge gegen sechs Uhr morgens aus dem Laden Schreie und Poltern gehört habe. »Das könnte stimmen«, meinte Rosenstock. »Fünf bis sechs Stunden wird die Vergiftung alt sein, aber es ist weiter nichts als eine Vermutung.« Dann wollte Pillevuit noch wissen, wo sein Bekannter, Dr. Thévenoz, sei. Aber da hüllte sich Rosenstock in Schweigen. »Er mußte einen Besuch machen, einen eiligen Besuch.« – »Einen Krankenbesuch?« wollte der neugierige O'Key wissen. »Man kann es auch einen Krankenbesuch nennen«, meinte Rosenstock reserviert. »Übrigens habe ich zu tun, und Sie müssen mich entschuldigen.« Er schien eines jener Kinderspielzeuge – Trottinette nennt man sie – zu besteigen und verschwand auf diesem unsichtbaren Vehikel aus dem Zimmer.
    Nun saßen also die beiden in einer Pinte; sie lag in einem jener kleinen Gäßchen, die in der Umgebung des Justizpalastes ein von jeder Modernität verschontes, stillbeschauliches Leben führen. Der Wirt war ein Franzose, ehemaliger Chef de cuisine, kochte ausgezeichnet, kaufte seinen Wein selbst. Die Beize war ziemlich unbekannt.
    »Prost!« sagte Kommissar Pillevuit und stieß mit seinem neuen Freund an. O'Key nickte. Der Wein war gut. Dann aßen die beiden schweigend, und ich muß es mir leider versagen, das Menü wiederzugeben. Denn es waren Speisen, die nur Gastronomen bekannt sind, und da diese Rasse am Aussterben ist, hat es keinen Sinn, auf sie Rücksicht zu nehmen.
    Gegen die niederen Fensterscheiben prasselte der Regen, ein Gewitter ging nieder, es war dunkel im kleinen Raum, der Wirt schaltete das Licht ein, brachte dann dicken türkischen Kaffee in Kupferpfännchen. Dann war es sehr still im Raum, bis Pillevuit schließlich sagte: »Nun?«
    »Zeugenaussagen«, meinte O'Key. »Die Gemüsehändlerin Malvida Turettini, Witwe, kinderlos, hat ihren Laden am Morgen um fünf Uhr geöffnet. Da sie schräg gegenüber der Apotheke wohnt und Eltester sie von jeher interessiert hat, weil er merkwürdige Besuche erhielt, wirft sie jeden Morgen beim Öffnen ihres Ladens einen Blick auf die Apotheke. Die Rolläden waren heruntergelassen, doch meinte sie zwischen den Ritzen Licht schimmern zu sehen, was sie erstaunte, da es bekanntlich jetzt, im Sommer, schon um vier Uhr morgens ganz hell ist. Um halb sechs tritt sie zufällig vor ihre Türe, um ihre Gemüseauslage in Ordnung zu bringen und hört aus der Apotheke Lärm. Die Gasse war zu dieser Zeit

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