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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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fast menschenleer, nur in der Rue de Carouge war ein Trupp Arbeiter zu sehen. Frau Turettini kann sonst nichts angeben. Ihr Geliebter, Gaston Faillettaz, Mechaniker in einer Autofabrik, hat am Abend vorher, als er gegen zehn Uhr aus der Kneipe kam, hinter den schon herabgelassenen Läden der Apotheke singen gehört. Er bezeichnete das Geräusch als Singen, und als ich ihn fragte, was er denn unter Singen verstünde, Volkslieder oder Grammophonmusik, schüttelte er den Kopf: ›Wie wenn man an katholischen Kirchen vorbeigeht, so hat's geklungen‹, behauptete er. Der Zeitungsverkäufer André Gattineau muß schon…«
    »Halt«, rief Pillevuit, »ich habe eine Frage. Wie kam es, daß Sie etwas von dem Mordversuch wußten? Sie hatten doch Ihre Untersuchung schon beendigt, als wir die Entdeckung des kranken Eltester machten?«
    O'Key spielte mit einem silbernen Kettchen, das um sein Handgelenk lag. »Ich bin eben früher aufgestanden«, sagte er lächelnd. »Und ich kann Ihnen da nichts weiter erzählen, weil Sie sonst auf falsche Gedanken kämen. Lassen Sie mich lieber fortfahren. Der Zeitungsverkäufer Gattineau, der schon um fünf Uhr bei der ›Tribune‹ sein muß, um die Morgenblätter zu erwischen, die er in den Dörfern verkauft, hat um halb fünf Uhr einen älteren Herrn gesehen, mit weißem gelocktem Bart, der mit einer sehr dicken Frauensperson die Straße hinunterging. An der Ecke der Rue de Carouge waren diese beiden verschwunden. Gattineau glaubt, die beiden hätten ein Taxi genommen. Paßt diese Beschreibung auf irgend jemanden, den Sie kennen, Kommissar?«
    »O'Key! Hervorragend!« Der Kommissar hüpfte wie ein Rugbyball bei einem Match. »Der Professor! Ich habe immer gewußt, der Professor ist in die Sache verwickelt. Wer hat Crawley ins Spital geschickt? Ich frage Sie, wer hat Crawley…«
    »Sie lieben rhetorische Fragen, Kommissar«, stellte O'Key mit strenger Stimme fest. »Wir wissen, daß der Professor in der Sache, die uns beschäftigt, eine Rolle spielt. Aber welche Rolle? Wer war die Frau, die ihn heute morgen begleitete? Wissen Sie das?«
    »Ich? Nein.«
    »Sie sollten es aber wissen. Wozu haben Sie sonst einen Ihrer Leute vor dem Hause des Professors postiert? He? Und einen untauglichen noch dazu? Sie haben mich gefragt, wieso ich von dem Mordversuch hier Kenntnis erhalten hätte? Weil ich dem Professor gestern abend gefolgt bin. Ein Auto hat ihn um neun Uhr abgeholt. Es ist bei seinem Hause vorgefahren, hat kaum zehn Sekunden gehalten, gehornt, der Professor ist aus der Haustür und mit einem Satz in den Wagen gesprungen, – fort war er. Ihr Polizist hatte gerade ein wichtiges Gespräch mit der Kellnerin in der Kneipe, die dem Hause des Professors gegenüberliegt. Ich bin ihm nachgefahren, dem guten Professor, er hat sehr geheimnisvoll getan, als er in der Apotheke verschwand. Ich habe gewartet bis Mitternacht. Um elf Uhr ist die dicke Dame, die heute morgen mit ihm fortgegangen ist, angekommen, hat geklopft, ist eingelassen worden. Ich bin dann schlafen gegangen. Aber heute morgen war ich schon zeitig wieder da. Hat übrigens der Polizist Malan von mir gesprochen?«
    »Malan? Gesprochen? Von Ihnen?« Pillevuit schüttelt ratlos den Kopf. »Nein, er hat gesagt, ein kleiner Junge habe ihm aufgeregt mitgeteilt, die Apotheke sei noch immer geschlossen, und man höre Stöhnen durch die Türe. Und da sei er eben hingegangen. Die Türen seien offen gewesen, das heißt, die Türe, die vom Hausgang in die Wohnung führt, und die Tür von der Wohnung in den Laden. Und dann hat er mich gleich angerufen, als er den Körper gesehen hat.«
    »Sehen Sie, Kommissar, Sie müssen nicht böse werden, aber Ihre Leute arbeiten unexakt. Malan ist fortgelaufen, und Sie können sich vorstellen, welch eine Aufregung es in einer kleinen Gasse hervorruft, wenn ein uniformierter Polizist aus einem Hausgang herausstürzt. Die Gemüsefrau wollte gleich schauen gehen, was los war, sie rief ihre Nachbarinnen herbei, es waren spielende Kinder auf der Straße. Diese ganze Meute wollte den Laden stürmen. Da hab ich mich vor den Eingang gestellt, habe nur ›Polizei‹ gesagt und das Abzeichen meines Tennisklubs gezeigt, das ich hier unter dem Rockaufschlag trage. So habe ich Ihnen doch die Jungfernschaft dieses Falles gerettet, und dafür müssen Sie mir dankbar sein.«
    »O'Key…«, Pillevuits Augen glänzten feucht, war es die Rührung, war es der Alkohol, oder vielleicht beides? – »O'Key, Sie sind ein Freund. Was

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