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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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neue Bekanntschaft fast in hysterische Krämpfe verfiel.
    »Kennen Sie denn Ronny?« fragte Madge.
    »Nein«, O'Key wackelte ein wenig mit der Nase, was Madge zum Lachen brachte. »Ich kenne nur die Airedaler Sprache und weiß, wie man einem Hunde ein Kompliment zu machen hat.«
    Darauf entstand ein Schweigen. Ronny bellte hinter einem Radfahrer her, der einen großen Korb auf dem Rücken trug. Ronnys Antipathie gegen die moderne Technik erstreckte sich auch auf Fahrräder.
    »Ja, ich muß weiter«, seufzte Madge, und sie empfand ihr Seufzen selber als unmotiviert. »Einen Besuch machen.«
    »Oh«, sagte O'Key, »Sie wollen in dieses Haus? Zu dem Professor? Nehmen Sie sich in acht, Miss Lemoyne, der Professor wird beobachtet.«
    »Beobachtet?« Madge war erschrocken. »Von wem denn?«
    »Erstens von mir. Denn auch ich muß ihn sprechen und weiß nicht recht, wie ich es anstellen soll. Ihn einfach besuchen geht nicht, ihn auf der Straße abfangen gefällt mir nicht. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Wissen Sie mir keinen Rat?«
    »Ja, warum wollen Sie ihn denn sprechen? Wer sind Sie eigentlich?« wollte Madge wissen.
    Das sei immerhin schwer zu definieren, erwiderte O'Key – und ganz verschwommen kam es ihm zum Bewußtsein, daß es ihm Schwierigkeiten machte, die Frau neben ihm anzulügen; sie gingen auf und ab, und Ronny versuchte während dieser Zeit die psychologischen Reaktionen eines Köters zu prüfen, der traurig an einer Ecke saß, indem er diesen Hund sachlich in den Schwanz kniff, – Ronny war nicht umsonst der Hund einer Seelenärztin – ja, wiederholte O'Key, er sei also eigentlich Reporter und von seiner Zeitung ausgesandt, um über eine dunkle Angelegenheit zu berichten. Es sei da ein junger Engländer, ein Diplomat, auf ziemlich mysteriöse Art in die Gefilde der Seeligen hinübergewechselt – Madge schaute bei dieser Ausdrucksweise kurz auf, schwieg aber – und das Londoner Publikum fühle sich von geheimnisvollen Begebenheiten nur allzu sehr angezogen. Als ob der Tod eines chinesischen Kulis nicht ebenso geheimnisvoll sei. Aber Kulis gebe es eben Millionen und diplomatische Sekretäre nur eine kleine Menge und das erkläre vielleicht zum Teil das Interesse eines hungrigen Publikums. Nun ja, kurz und gut, der Professor Dominicé scheine da etwas zu wissen, über den Tod dieses Sekretärs Crawley, und da sei noch die Geschichte mit dem Apotheker, die sei auch düster, und auch da habe der werte Gelehrte seine Hand im Spiele, es empfehle sich daher, ein Interview zu riskieren, nicht wahr? »Lachen Sie«, befahl O'Key plötzlich streng, dann stieß er selber ein Gewieher aus, das seine Zähne zeigte.
    »Warum?« Hatte Madge es mit einem Verrückten zu tun? Aber der vielleicht Verrückte ließ ihr keine Zeit, auch nur den Versuch einer Diagnose zu stellen, er hatte ihren Arm gepackt.
    »Lachen Sie«, befahl er wieder, »es muß aussehen, als ob wir alte Bekannte wären, und Sie müssen denken, ich hätte Ihnen soeben einen fabelhaften Witz erzählt. Hahaha«, und Madge lachte ängstlich mit. »Noch einmal!« Und noch einmal lachte Madge.
    »Ich will Ihnen erklären, warum. Dort drüben an der Ecke steht ein reichlich unsympathischer Zweibeiner mit eingefettetem Schnurrbart, einer fettigen Krawatte und seine Hose hat Wülste über den Knien. Das ist Herr Dériaz, dem soeben telephonisch ein Rüffel überwiesen worden ist, und zwar von meinem Freunde, dem Kommissar Pillevuit. Weil nämlich besagter Geheimpolizist Dériaz gestern abend nicht aufgepaßt hat. Und nun geht es den Herrn gar nichts an, wer Sie sind, und in welchen Beziehungen Sie zu dem Professor stehen. Wir werden also zusammen den Professor besuchen, und Herr Dériaz wird dann seiner Behörde mitteilen können, daß ein Herr und eine Dame… nun ja, das wird er schon gut machen.«

4
    Professor Dominicé führte ein unregelmäßiges Leben. Aber dies störte niemand, da er keine Familie und keine besorgte Gattin hatte. Wohl wurde er von seiner Haushälterin, eben jener Jane Pochon, deren Anblick auf die Seelenärztin Madge Lemoyne so niederdrückend wirkte, ausgiebig tyrannisiert, aber der Professor war über diese Tyrannei hoch erhaben. Er fühlte sie kaum.
    Er führte ein unregelmäßiges Leben, sagten wir. Das heißt, er machte die Nacht zum Tag, stand spät auf, erst gegen Mittag, brauchte dann zwei, drei Stunden, bis er das Elend eines neubeginnenden Tages überwunden hatte; darum hatte er auch seine Vorlesungsstunden auf den

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