Der Tempel der Ewigkeit
seine Genehmigung in den Palast hinein. Die große königliche Gemahlin hatte ihm eingeschärft, jeden Eindringling zu vertreiben und sich, falls Gefahr drohte, ohne Zögern seines Schwerts zu bedienen.
Als der Widerhall eines Streits an seine Ohren drang, stürzte Serramanna in die für Besucher bestimmte Vorhalle hinaus.
«Was geht hier vor?»
«Dieser Mann will uns zwingen, ihn durchzulassen», antwortete einer der Wachsoldaten und zeigte auf einen bärtigen Hünen mit üppigem Haupthaar und breiten Schultern.
«Wer bist du?» fragte Serramanna.
«Moses, der Hebräer, ein Jugendfreund von Ramses und Aufseher auf den Baustätten des Pharaos.»
«Was willst du?»
«Für gewöhnlich verschließt mir Ramses seine Tür nicht.»
«Heute bestimme ich hier.»
«Ist der Regent etwa eingesperrt?»
«Nur zu seiner Sicherheit… Welchen Grund hat dein Besuch?»
«Das geht dich nichts an.»
«Dann scher dich wieder nach Hause, und komm diesem Palast nicht mehr zu nahe, sonst lasse ich dich ins Gefängnis werfen.»
Nicht weniger als vier Wachsoldaten waren vonnöten, um Moses festzuhalten.
«Wenn du Ramses nicht meldest, daß ich hier bin, wird es dir noch leid tun.»
«Deine Drohungen beeindrucken mich nicht.»
«Mein Freund erwartet mich. Hast du das begriffen?»
Langjährige Seeräuberei und unzählige erbitterte Kämpfe hatten Serramannas Gespür für Gefahren geschärft. Dieser Moses da erschien ihm jedoch trotz seiner Körperkraft und der lauten Stimme aufrichtig.
Ramses und der Hebräer umarmten einander.
«Das ist kein Palast mehr», entrüstete sich Moses, «sondern eine Festung.»
«Meine Mutter, meine Gemahlin, mein Oberster Schreiber, Serramanna und noch ein paar andere rechnen mit dem Schlimmsten.»
«Das Schlimmste… Was soll das heißen?»
«Ein Mordanschlag.»
An der Tür, die vom Audienzsaal des Regenten in den Garten hinausführte, döste sein riesiger Löwe, und zwischen dessen Vorderpranken lag Wächter, der goldgelbe Hund.
«Was hast du mit den beiden schon zu befürchten?»
«Nefertari ist überzeugt, daß Chenar seinem Wunsch zu herrschen nicht entsagt hat.»
«Eine Gewalttat, noch ehe Sethos beigesetzt ist… Das paßt nicht zu ihm. Er handelt lieber im verborgenen und setzt auf Zeit.»
«Die Zeit ist für ihn jetzt knapp geworden.»
«Da hast du allerdings recht… Dennoch wird er es nicht wagen, sich an dir zu vergreifen.»
«Mögen die Götter dich erhören! Ägypten würde dabei nichts gewinnen. Was spricht man in Karnak?»
«Man munkelt allerlei gegen dich.»
Unter der Leitung eines Baumeisters übte Moses das Amt des Aufsehers in der weitläufigen Tempelanlage von Karnak aus, wo Sethos mit dem Bau einer riesigen Säulenhalle begonnen hatte, der durch den Tod des Pharaos unterbrochen worden war.
«Wer munkelt?»
«Die Priester des Amun, einige Adlige, der Wesir des Südens… Deine Schwester Dolente und ihr Gemahl Sary stacheln sie auf. Sie verwinden die Verbannung nicht, in die du sie geschickt hast, so weit von Memphis entfernt.»
«Hat dieser elende Sary nicht versucht, mich aus dem Weg zu räumen? Mich und Ameni, meinen Obersten Schreiber, unseren Freund aus Kindertagen. Daß ich von ihm und meiner Schwester verlangt habe, Memphis zu verlassen und nach Theben zu ziehen, ist noch eine sehr milde Strafe.»
«Diese giftigen Blumen gedeihen nur im Norden. Im Süden, in Theben, da verkümmern sie. Du hättest strenger verfahren und sie wirklich des Landes verweisen sollen.»
«Dolente ist meine Schwester, Sary war mein Erzieher und Lehrer.»
«Darf ein König seinen Angehörigen gegenüber so nachsichtig sein?»
Ramses war tief beleidigt.
«Ich bin noch nicht König, Moses!»
«Du hättest dennoch Anklage erheben und der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen können.»
«Wenn meine Schwester und ihr Gemahl sich nicht zurückhalten, werde ich mit aller Härte gegen sie vorgehen.»
«Ich wollte, ich könnte dir glauben. Du bist dir kaum bewußt, welch erbitterte Feinde du hast.»
«Ich trauere um meinen Vater, Moses.»
«Und du vergißt dabei dein Volk und dein Land! Meinst du etwa, Sethos freut sich in seinen himmlischen Gefilden über ein derart lasches Verhalten?»
Wäre Moses nicht sein Freund gewesen, hätte Ramses ihn geohrfeigt.
«Muß das Herz eines Königs denn gefühllos sein?»
«Wie soll ein Mann herrschen können, wenn er sich in seinem Schmerz vergräbt, so berechtigt der auch sein mag? Chenar hat versucht, mich für seine Ziele zu gewinnen und
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