Der Tempel der Ewigkeit
mehr.»
«Wüßte ich nur deinen Kummer zu lindern, Majestät!»
Ein trauriges Lächeln spielte um Tujas Lippen.
«Ich vermisse Sethos allzu sehr. Der Rest meiner Tage wird nur noch ein langes Leiden, in dem mich allein eine glückliche Regentschaft deines Gemahls ein wenig zu trösten vermag. Künftig wird dies für mich der einzige Grund sein, noch zu leben.»
«Ich mache mir Sorgen, Majestät.»
«Was befürchtest du?»
«Daß Sethos’ Wille sich nicht erfüllt.»
«Wer sollte es wagen, sich dagegen aufzulehnen?»
Nefertari schwieg.
«Du denkst an meinen älteren Sohn, an Chenar, nicht wahr? Ich kenne seine Eitelkeit und seinen Ehrgeiz, aber er wird nicht so töricht sein, sich dem Willen seines Vaters zu widersetzen.»
Die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages tauchten den Garten der Königin in goldenes Licht.
«Hältst du mich für zu arglos, Nefertari? Wie es scheint, teilst du meine Ansicht nicht.»
«Majestät…»
«Soll das heißen, daß du etwas Genaues erfahren hast?»
«Nein, es ist nur so ein Gefühl, ein unbestimmtes Gefühl.»
«Du bist scharfsinnig, dein Verstand ist schnell wie der Blitz, und Verleumdungen hegen dir fern. Nur, um zu vereiteln, daß Ramses über Ägypten herrscht, gibt es doch keine andere Möglichkeit, als ihn zu ermorden?»
«Eben davor habe ich Angst, Majestät.»
Sachte strich Tuja mit der Hand über einen Tamariskenzweig.
«Meinst du, Chenar wäre imstande, ein Verbrechen zu begehen, um selbst die Herrschaft zu übernehmen?»
«Diese Vorstellung läßt mich ebenso schaudern wie dich, doch es gelingt mir nicht, sie zu verscheuchen. Verurteile mich, wenn sie dir undenkbar erscheint, aber ich konnte nicht länger schweigen.»
«Wie wird für Ramses’ Sicherheit gesorgt?»
«Sein Löwe und sein Hund wachen über ihn, desgleichen Serramanna, der Vorsteher seiner Leibwache. Seit Ramses von seiner einsamen Wanderung durch die Wüste zurückgekehrt ist, vermochte ich ihn davon zu überzeugen, daß er nicht ohne Schutz bleiben darf.»
«Die Staatstrauer währt nun schon zehn Tage», erklärte die große königliche Gemahlin. «In zwei Monaten wird Sethos’ einbalsamierter Leichnam in seinem Haus für die Ewigkeit beigesetzt. Danach wird Ramses gekrönt, und du wirst Königin von Ägypten.»
Ramses verneigte sich vor seiner Mutter, dann drückte er sie liebevoll an sich. Von ihr, die so zerbrechlich wirkte, konnte er lernen, sein Schicksal mit Würde zu tragen.
«Warum erlegt uns Gott nur eine so grausame Prüfung auf?»
«Sethos’ Geist lebt in dir weiter, mein Sohn. Seine Zeit ist abgelaufen und die deine beginnt. Wenn du sein Werk fortsetzt, wird er den Tod besiegen.»
«Sein Schatten ist übermächtig.»
«Bist du nicht der Sohn des Lichts, Ramses? Vertreibe die Finsternis, die uns umgibt, und laß nicht zu, daß uns das Chaos verschlingt.»
Der junge Mann trat einen Schritt zurück.
«Mein Löwe und ich haben in der Wüste einen Pakt geschlossen.»
«Das war doch das Zeichen, das du dir erhofftest, nicht wahr?» fragte die Königin.
«Ja, gewiß, aber gestattest du mir, dich um etwas zu bitten?»
«Sprich!»
«Wenn mein Vater außerhalb Ägyptens weilte, um den Fremdländern seine Stärke kundzutun, dann regiertest doch du.»
«So gebietet es unsere Tradition.»
«Du besitzt Erfahrung im Umgang mit der Macht, und jeder verehrt dich. Warum solltest nicht du den Thron besteigen?»
«Weil das nicht Sethos’ Wille war. Er verkörperte das Gesetz, dieses Gesetz, das wir lieben und achten. Dich, mein Sohn, hat er zu seinem Nachfolger erkoren, deshalb mußt du herrschen. Ich werde dir nach besten Kräften dabei helfen und dich beraten, wenn du dies wünschst.»
Ramses bedrängte sie nicht länger.
Seine Mutter war der einzige Mensch, der den Lauf des Schicksals hätte umlenken und ihn von seiner Bürde befreien können, doch Tuja würde dem verstorbenen König treu bleiben und an seiner Entscheidung nichts ändern. Wie groß Ramses’ Zweifel und Ängste auch sein mochten, er mußte seinen eigenen Weg gehen.
Serramanna, der Vorsteher der Leibwache, verließ kaum noch den Flügel des Palastes, in dem der künftige König von Ägypten seine Pflichten erfüllte. Daß Ramses den Sarden, einen ehemaligen Seeräuber, in dieses Vertrauensamt berufen hatte, zog allerlei Gerede nach sich. Einige waren überzeugt, der Riese mit dem gezwirbelten Schnurrbart würde früher oder später Sethos’ Sohn verraten.
Vorerst gelangte jedoch niemand ohne
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