Der Tempel der Ewigkeit
eindringlich riet, sich zu gedulden, bis sie einen siegverheißenden Plan ersonnen hätten.
Sobald Chenar Pharao war, mochte Menelaos samt Helena nach Griechenland aufbrechen.
Seit mehreren Monaten paßten sich die griechischen Soldaten der Bevölkerung ihres Gastlandes an. Manche waren ägyptischem Kommando unterstellt worden, andere hatten kleine Läden eröffnet, und alle schienen mit ihrem erfreulichen Los zufrieden zu sein. In Wirklichkeit warteten sie jedoch nur auf einen Befehl ihres Anführers, um zur Tat zu schreiten und - diesmal in größerem Ausmaß - ihren Erfolg mit dem Trojanischen Pferd zu wiederholen.
Argwöhnisch musterte der Grieche den Obersten Gesandten.
«Schick diesen Mann fort», forderte er Chenar auf. «Ich möchte mich mit dir allein unterhalten.»
«Meba ist unser Verbündeter.»
«Ich sage es nicht noch einmal.»
Mit einer Handbewegung bedeutete Chenar dem Obersten Gesandten, sich zu entfernen.
«Wie stehen die Dinge?» erkundigte sich Menelaos.
«Es ist an der Zeit, daß wir etwas unternehmen.»
«Bist du dir da ganz sicher? Eure sonderbaren Gebräuche und diese endlose Einbalsamierung bringen einen noch um den Verstand.»
«Wir müssen handeln, ehe die Mumie meines Vaters beigesetzt wird.»
«Meine Männer sind bereit.»
«Ich bin kein Freund sinnloser Gewalt und…»
«Genug der Ausflüchte, Chenar! Ihr Ägypter scheut euch davor zu kämpfen. Wir Griechen haben jahrelang gegen die Trojaner gefochten und sie niedergemetzelt. Wenn du möchtest, daß dieser Ramses stirbt, dann sag es ein für allemal und vertrau auf mein Schwert!»
«Ramses ist mein Bruder, und eine List ist bisweilen wirksamer als rohe Gewalt.»
«Nur gemeinsam führen sie zum Sieg. Willst du mich, einen Helden des Trojanischen Krieges, die Feldherrnkunst lehren?»
«Du mußt erst Helena zurückerobern.»
«Helena, Helena, schon wieder sie! Diese Frau ist ein Fluch, aber ich kann nicht ohne sie nach Lakedämon heimkehren.»
«Also wenden wir meinen Plan an.»
«Wie sieht der aus?»
Chenar lächelte. Dieses Mal stand das Glück ihm zur Seite, denn mit der Hilfe des Griechen würde er sein Ziel erreichen.
«Es gibt nur zwei größere Hindernisse: den Löwen und Serramanna. Wir werden den ersten vergiften und den zweiten aus dem Weg räumen. Dann entführen wir Ramses, und du nimmst ihn mit nach Griechenland.»
«Warum wollen wir ihn nicht gleich töten?»
«Weil der Beginn meiner Herrschaft nicht mit Blut befleckt sein soll. Offiziell werden wir kundtun, Ramses habe dem Thron entsagt und sich zu einer langen Reise entschlossen. In ihrem Verlauf wird ihm dann allerdings ein bedauerlicher Unfall zustoßen.»
«Und Helena?»
«Sobald ich gekrönt bin, muß meine Mutter mir gehorchen und wird aufhören, deine Gemahlin zu beschützen. Sollte Tuja sich als uneinsichtig erweisen, lasse ich sie in einen Tempel einschließen.»
Menelaos überlegte.
«Für einen Ägypter ist das nicht übel ausgeheckt… Besitzt du das nötige Gift?»
«Selbstverständlich.»
«Der griechische Offizier, den wir in die Leibgarde deines Bruders einschleusen konnten, ist ein erfahrener Soldat, er wird Serramanna die Kehle durchschneiden, während er schläft. Wann soll es geschehen?»
«Bewahre noch ein wenig Geduld, ich muß erst nach Theben reisen. Sobald ich zurück bin, schlagen wir zu.»
Helena kostete jeden Augenblick ihres Glücks aus, das sie für immer entschwunden gewähnt hatte. In einem leichten, nach Blüten duftenden Kleid, den Kopf zum Schutz vor der Sonne mit einem Schleier bedeckt, lebte sie am ägyptischen Hof wie in einem wundervollen Traum. Ihr, die von den Griechen als «verderbte Hündin» geschmäht wurde, war es gelungen, Menelaos zu entkommen, diesem lasterhaften, niederträchtigen Tyrannen, dessen größtes Vergnügen dann bestand, sie zu demütigen.
Tuja, die große königliche Gemahlin, und Nefertari, Ramses’ Gemahlin, hatten ihr ihre Freundschaft angeboten und gestatteten ihr, sich frei zu bewegen. In diesem Land war das anders als in Lakedämon, wo die Frau, mochte sie auch noch so fürstlichen Geblüts sein, in den hinteren Gemächern eingesperrt wurde.
War Helena wirklich schuld am Tod Tausender Griechen und Trojaner? Sie hatte diesen mörderischen Wahn nicht gewollt, der so viele Jahre lang junge Männer dazu trieb, einander zu töten, doch die Stimme des Volkes klagte sie weiterhin an und verurteilte sie, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich zu verteidigen. Hier, in Memphis, machte
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