Der Tempel der vier Winde - 8
verspeisen. Und ich soll an Euren guten Willen glauben? Ihr wagt es, mir Dankbarkeit vorzugaukeln?«
Shotas Blick wanderte zu den Bäumen hinüber. »Samuel!« Sie setzte ihre Teetasse ab. »Samuel! Komm sofort her!«
Die gedrungene Gestalt hüpfte durch das Gras zwischen den Bäumen herbei, wobei er die Knöchel seiner Finger zu Hilfe nahm. Er rannte zu Shota und rieb seinen Kopf an ihren Beinen.
»Herrin«, schnurrte er.
»Samuel, was habe ich dir über die Mutter Konfessor erzählt?«
»Die Herrin hat Samuel gesagt, er soll zu ihr gehen.«
Sie sah Kahlan in die Augen. »Und was habe ich dir noch aufgetragen?«
»Er soll sie herbringen.«
»Samuel«, sagte sie mit bebender Stimme.
»Die Herrin hat gesagt, er soll ihr nichts tun.«
»Du bist über mich hergefallen!« warf Kahlan ein. »Du hast mich zu Boden gerissen und dich auf mich geworfen! Du hast gesagt, du würdest mich fressen, wenn deine Herrin mit mir fertig wäre.«
»Ist das wahr, Samuel?«
»Samuel hat der hübschen Lady nichts getan«, brummte Samuel. »Stimmt das, was sie sagt? Hast du sie angegriffen?«
Samuel fauchte Kahlan an. Shota verpaßte ihm mit der Faust eine Kopfnuß. Er wich erschrocken zurück und klammerte sich an ihr Bein.
»Was habe ich dir aufgetragen, Samuel? Wie lauteten meine Anweisungen?«
»Samuel muß die Mutter Konfessor hierherbringen. Samuel darf die Mutter Konfessor nicht anfassen. Samuel darf der Mutter Konfessor nichts tun. Samuel darf der Mutter Konfessor nicht drohen.«
Shota trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Und, hast du mir gehorcht, Samuel?«
Samuel versteckte seinen Kopf unter dem Saum ihres Kleides.
»Samuel, beantworte sofort meine Frage. Stimmt das, was die Mutter Konfessor sagt?«
»Ja, Herrin«, erwiderte Samuel kläglich.
»Ich bin sehr enttäuscht von dir, Samuel.«
»Tut Samuel leid.«
»Wir unterhalten uns später weiter. Laß uns jetzt allein.«
Der Gehilfe der Hexe entfernte sich hüpfend unter die Bäume. Shota drehte sich um und sah Kahlan in die Augen.
»Ich habe ihm erklärt, er darf Euch weder etwas antun noch Euch bedrohen. Ich kann verstehen, warum Ihr Euch erregt, die Fassung verliert und denkt, ich wollte Euch etwas Böses. Bitte nehmt meine Entschuldigung an.« Sie schenkte Kahlan Tee nach. »Seht Ihr? Ich habe nicht die Absicht, Euch Leid zuzufügen.«
Kahlan nahm einen Schluck aus ihrer vollen Tasse. »Samuel ist das geringste Übel. Ich weiß, Ihr wollt Unheil über mich und Richard bringen, aber ich fürchte mich nicht mehr vor Euch. Ihr könnt mir nichts mehr anhaben.«
Shotas selbstgefälliges Lächeln kehrte zurück. »Wirklich nicht?«
»Ich schlage vor, Ihr versucht erst gar nicht, Eure Kraft gegen mich einzusetzen.«
»Meine Kraft? Alles, was ich tue, alles, was jeder tut, macht er mit seiner Kraft. Wenn ich atme, benutze ich meine Kraft.«
»Ich rede davon, mir Schaden zuzufügen. Wenn ihr wagt, es zu versuchen, werdet Ihr den Versuch nicht überleben.«
»Mein Kind, ich habe nicht die Absicht, so etwas zu tun, auch wenn Ihr das denkt.«
»Eine mutige Bemerkung, jetzt, wo Ihr wißt, daß Ihr dazu nicht mehr in der Lage seid.«
»Ach, wirklich? Habt Ihr je daran gedacht, daß der Tee vergiftet sein könnte?«
Ihr Lächeln wurde breiter, als Kahlan sich versteifte. »Ihr habt …?«
»Natürlich nicht. Ich sagte doch schon, das liegt nicht in meiner Absicht. Wenn mir danach gewesen wäre, hätte ich alles mögliche tun können. Ich hätte einfach eine Viper hinter Eure Ferse setzen können. Vipern mögen es nicht, wenn man sich hastig bewegt.«
Wenn Kahlan eins haßte, dann waren es Schlangen, und das wußte Shota.
Sie entspannte sich und atmete aus. »Aber ich sollte denken, dort könnte eine sein.«
»Ich sollt erkennen, daß man Selbstvertrauen auch überbewerten kann. Vielleicht freut es Euch zu erfahren, daß ich Euch schon immer aus allen möglichen Gründen für überaus gefährlich gehalten habe. Daß Ihr einen Weg gefunden habt, die andere Seite Eurer Magie anzuzapfen, hat für mich keine große Bedeutung. Was mir angst macht, sind ganz andere Dinge. Euer Schoß macht mir angst. Und Eure überhebliche Selbstgewißheit.«
Kahlan wäre vor Wut fast aufgesprungen, doch dann mußte sie plötzlich an die sterbenden Kinder in Aydindril denken. Wie viele von ihnen waren dem Tod nahe, bangten zitternd um ihr Leben, während Kahlan halsstarrig mit Shota über Fehler und Schuldzuweisungen debattierte.
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