Der Tempel der vier Winde - 8
»Ihr könnt darüber denken, wie Ihr wollt. Mir genügt, daß Ihr noch nicht mit ihm zusammen wart.«
Kahlan verschränkte trotzig die Arme. »Diese Welt oder eine andere, das ist völlig egal. Ich war mit ihm vereint.«
Shotas glatte Stirn kräuselte sich vor mühsam unterdrückter Heiterkeit.
»Und wenn Ihr mit ihm an diesem Ort zwischen den Welten zusammen wart, wo die Guten Seelen Euch hingeführt haben, wieso dann nicht auch in dieser Welt? Schließlich seid Ihr hier doch keine Jungfrau mehr, wie Ihr behauptet.«
Kahlan senkte verlegen den Blick. »Na ja, ich … wir … hielten es für das beste zu warten, bis wir getraut sind, das ist alles.«
Shotas leise triumphierendes Lachen wehte in der Morgenluft davon.
»Seht Ihr? Ihr wißt, daß ich die Wahrheit spreche.«
Sie hielt die Teetasse zwischen den Fingerspitzen beider Hände und nippte daran, und nach jedem Schluck entfuhr ihr ein weiteres irres Kichern.
Kahlan kochte vor Wut, denn sie hatte das Gefühl, das Wortgefecht verloren zu haben. Sie versuchte, sich einen Anschein von Selbstsicherheit zu geben, indem sie sich zurücklehnte und ihrerseits einen Schluck Tee trank.
»Wenn Ihr Euch mit pedantischen Haarspaltereien täuschen wollt, nur zu. Ich weiß, was wir getan haben«, entgegnete Kahlan. »Ich wüßte ohnehin nicht, was Euch das angeht.«
Shota hob den Kopf. »Ihr wißt sehr wohl, was mich das angeht, Mutter Konfessor. Jeder Konfessor bringt einen Konfessor zur Welt. Wenn Ihr sein Kind bekommt, wird es ein Junge sein. Ich habe Euch beiden erklärt, daß Ihr das nicht vergessen dürft, bevor Ihr Euch vereint. Die Lust trübt die Gedanken an die möglichen Folgen. Von Eurer Seite aus würde der Junge ein Konfessor werden. Von Richards Seite würde er die Gabe mitbekommen. Eine so gefährliche Mischung gab es noch nie.«
Kahlan versuchte ihr Entsetzen über die Weissagung hinter einem geduldigen, vernünftigen Ton zu verbergen, der ebenso ihr selbst galt wie Shota.
»Ihr seid eine Hexe mit großen Fähigkeiten, Shota, und zugegeben, vielleicht wißt Ihr, ob es ein Junge wird, aber Ihr könnt unmöglich wissen, daß er werden würde wie die meisten männlichen Konfessoren, die in der Vergangenheit geboren wurden. Nicht alle waren so. Ihr habt praktisch selbst zugegeben, nicht zu wissen, ob es so kommen wird. Ihr seid nicht der Schöpfer. Ihr könnt unmöglich wissen, was er zu tun beschließt – wenn er überhaupt beschließt, uns ein Kind zu schenken.«
»In diesem Punkt brauche ich die Zukunft gar nicht zu kennen. Fast alle männlichen Konfessoren waren gewissenlose Bestien. Meine Mutter lebte in jenen düsteren Zeiten, die durch einen männlichen Konfessor heraufbeschworen wurden. Ihr würdet die Welt nicht nur mit einem männlichen Konfessor strafen, sondern noch dazu mit einem, der die Gabe besitzt. Welch verheerende Umwälzung das zur Folge hätte, könnt Ihr Euch überhaupt nicht vorstellen. Aus eben diesem Grund dürfen Konfessoren ihre Gefährten nicht lieben. Bringen sie ein männliches Kind zur Welt, müssen sie ihren Gatten bitten, das Kind zu töten. Ihr liebt Richard. Das würdet Ihr niemals von ihm verlangen. Ich habe Euch gewarnt. Ich habe die Kraft zu tun, was Ihr niemals könntet. Zudem habe ich Euch auch erklärt, daß ich das nicht persönlich meine.«
»Ihr redet über die ferne Zukunft, als habe sie sich bereits ereignet. So ist das aber nicht«, meinte Kahlan. »Die Geschehnisse entwickeln sichnicht immer so, wie Ihr behauptet. Allein Richard habt Ihr zu verdanken, daß Ihr überhaupt noch lebt. Ihr habt gesagt, gelänge es Richard und mir, den Schleier zu schließen und dadurch Euch und alle anderen vor dem Hüter zu bewahren, dann wärt Ihr uns beiden ewig dankbar.«
»Das bin ich auch.«
Kahlan beugte sich vor. »Ihr wollt Eure Dankbarkeit beweisen, indem Ihr droht, mein Kind zu töten, sollte ich eins bekommen, und versucht, mich gar umzubringen, wenn ich Euch um Hilfe bitte?«
Shotas Brauen zuckten. »Ich habe nicht versucht, Euch umzubringen.«
»Ihr schickt Samuel dort hinauf, damit er mich überfällt, und dann habt Ihr die Frechheit, mich dafür zurechtzuweisen, daß ich bereit bin, mich zu verteidigen? Dieses kleine Ungeheuer hat mich zu Boden geworfen und ist über mich hergefallen. Hätte ich keine Waffe gehabt, wer weiß, was er mir angetan hätte. Ist das Eure Dankbarkeit? Er sagte, wenn Ihr mit mir fertig seid, würdet Ihr ihm erlauben, mich zu
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