Der Tempel der vier Winde - 8
rundliche Frau in Dienstbotenuniform an die Tür. Ihr gerötetes Gesicht blinzelte durch den schmalen Spalt. »Lord Rahl. Nancy ist der Mutter Konfessor gerade beim Anziehen behilflich. Sie wird in einer Minute fertig sein.«
»Beim Anziehen!« rief er gegen die sich schließende Tür. Der Riegel fiel mit einem Klicken an seinen Platz. »Sie sollte das Bett hüten!«
Da er keine Antwort bekam, beschloß er, lieber zu warten und keine Szene zu machen. Einmal, als er den Kopf hob, sah er, wie Nadine um die Ecke schaute. Ihr Gesicht verschwand sofort wieder. Er lief vor der Tür auf und ab und kam sich vor, als stünde er im Begriff, in eine andere Welt einzutreten. Der Palast der Konfessoren war ein Ort voller Pracht, voller Macht und Geschichte, aber mehr denn alle anderen Orte im Palast erinnerten ihn die Gemächer der Mutter Konfessor daran, daß er in Wirklichkeit nur ein Waldführer war. Er fühlte sich hier nicht in seinem Element.
Die Gemächer der Mutter Konfessor waren eben jener majestätische, stille Zufluchtsort, der einem Menschen angemessen war, vor dem Könige und Königinnen niederknieten. Hätte Richard diesen Raum gesehen, bevor er Kahlan kennengelernt hatte, wäre fraglich gewesen, ob er je den Mut aufgebracht hätte, sie anzusprechen. Selbst jetzt wurde er noch verlegen, wenn er daran dachte, wie er ihr, als er noch nicht wußte, wer und was sie war, beigebracht hatte, Fallen zu bauen und Wurzeln auszugraben.
Er mußte jedoch schmunzeln, wenn er daran dachte, wie lernbegierig sie sich gezeigt hatte. Zum Glück hatte er die Frau kennengelernt, bevor er die Stellung begriff, die sie bekleidete, und die Magie, über die sie gebot. Er dankte den Guten Seelen, daß sie in sein Leben getreten war, und betete, daß sie auf ewig ein Teil davon sein würde. Sie bedeutete ihm alles.
In den drei marmornen Feuerstellen im Salon der Mutter Konfessor brannte Feuer. Die schweren Vorhänge vor den zehn Fuß hohen Fenstern waren leicht geöffnet. Durch die hohen Schlitze fiel gerade genügend Licht herein, um Lampen überflüssig zu machen. Vermutlich paßte grelles Sonnenlicht nicht zu diesem Ort der Ruhe. Es gab nur wenige Häuser in Kernland, die in diesen Raum nicht hineingepaßt hätten.
Auf einem glänzenden Mahagonitisch an der Seite stand ein silbernes Tablett mit Tee, Suppe, Keksen, Birnenscheiben und braunem Brot. Nichts davon war angerührt. Der Anblick erinnerte ihn daran, daß er seit dem Mittag des vergangenen Tages nichts mehr gegessen hatte, schaffte es aber nicht, seinen Appetit anzuregen.
Die drei Frauen in den frischen, grauen Kleidern mit den Spitzenkragen und -manschetten blickten ihn erwartungsvoll an, als wollten sie sehen, ob er es wagen würde, einfach zur Mutter Konfessor hineinzugehen oder ein anderes skandalöses Betragen an den Tag zu legen.
Richard warf einen Blick auf die Tür gegenüber, und sein Sinn für Anstand ließ ihn die naheliegende Frage stellen: »Ist sie fertig angekleidet?«
Die Frau, die zuvor die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte, errötete. »Ich hätte Euch nicht hereingelassen, Sir, wäre sie es nicht.«
»Natürlich.« Er ging geräuschlos über die flauschigen, dunklen Teppiche. Dann blieb er stehen und sah sich um. Sie beobachteten ihn wie drei Eulen. »Danke, meine Damen. Das wäre dann alles.«
Sie verneigten sich und verabschiedeten sich widerstrebend. Als die letzte die Tür hinter sich zuzog und dabei einen verstohlenen Blick über die Schulter warf, wurde ihm bewußt, daß sie es vermutlich für den Gipfel der Ungehörigkeit hielten, wenn ein Mann, der mit einer Frau verlobt war, alleine mit ihr im Schlafzimmer zurückblieb. Und im Fall der Mutter Konfessor galt dies doppelt.
Richard stöhnte gereizt. Sobald er sich irgendwo in der Nähe der Gemächer der Mutter Konfessor befand, brachte es irgendein Dienstbote stets fertig, alle paar Minuten zu erscheinen und sich zu erkundigen, ob sie etwas benötige. Die Mannigfaltigkeit der Dinge, deren möglichen Bedarf sie bei ihr vermuteten, verfehlte niemals seine Wirkung auf ihn. Manchmal erwartete er, daß einer von ihnen glatt auf sie zuginge, um sie zu fragen, ob ihre Tugend beschützt werden müsse. Außerhalb ihrer Gemächer war das Personal freundlich, scherzte sogar mit ihm, sobald er ihnen die Befangenheit genommen hatte oder ihnen beim Tragen half. In ihren Gemächern verwandelten sie sich ausnahmslos in unverschämte, beschützende Raubvogelmütter.
Im Schlafzimmer stand gegenüber der Tür
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