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Der Tempelmord

Der Tempelmord

Titel: Der Tempelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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und nickte Isebel zu.
    Die Frau lächelte den Arzt erleichtert an, dann löste sie die Riemen seiner Sandalen und wusch seine Füße mit kaltem Wasser, das sie aus dem Krug in die Schale goß. Anschließend benetzte sie seine Hände und trocknete sie mit einem Tuch aus weißem Leinen, das ihr die Dienerin reichte.
    Als sie auch Samu auf diese Weise geehrt hatte, bat Isebel sie beide, ihr in das Haus zu folgen. Sie führte sie durch einen kleinen Flur in einen weitem Empfangsraum, der ein wenig an das Tablinum römischer Häuser erinnerte, jenes Gemach, in dem der Hausherr seine Gäste empfing. Auch hier waren die Wände weiß gekalkt, und der Boden war mit schmucklosen, grauen Steinplatten ausgelegt. In der Mitte des Zimmers stand ein kleiner Tisch, auf den man eine Schale mit Fladenbrot gestellt hatte. Isebel nahm einen der Fladen, brach zwei Stücke davon ab und reichte sie Philippos und Samu. Dann bot sie ihnen eine flache Schüssel mit Salz an.
    »Mögen Frieden und Wohlstand Euch so beständig folgen wie der Schatten, der an Euren Fersen haftet.«
    Die Judäerin schob sich ihr Stück Brot in den Mund, und Philippos folgte ihrem Beispiel. Dann nahm er ein wenig von dem Salz und leckte es sich aus der Hand. Anschließend reichte Isebel ihm einen Becher mit frischem Brunnenwasser.
    »Seid Ihr es gewohnt, gemeinsam in einem Zimmer zu übernachten?« Die junge Frau lächelte scheu, so als sei ihr die Frage ein wenig peinlich.
    »Wir teilen nicht das Lager miteinander«, antwortete Samu schnell.
    Lieber würde ich eine Schlange unter meine Decke einladen als dich, dachte Philippos und blickte kurz zur Priesterin hinüber.
    Er war noch immer davon überzeugt, daß sie ihm die Wachen auf den Hals gehetzt hatte. Sie ganz allein war Schuld daran, daß man Neaira aus der Stadt gejagt hatte! Der Grieche ballte seine Hände zu Fäusten. Er war froh, mit ihr nicht im selben Zimmer übernachten zu müssen. Lieber wäre ihm sogar noch, wenn sie sich nicht einmal im gleichen Haus aufhalten würden.
    »So erlaubt nun, daß ich Euch zu Euren Gemächern begleite. Mein Herr und Vater hält immer drei kleine Kammern für Gäste bereit. Dort mögt Ihr Euch von den
    Anstrengungen Eurer Reise erholen. Falls Ihr lieber ein warmes Bad nehmen würdet oder es eine andere Art gibt, auf die ich Euch zu Diensten sein kann, so laßt es mich wissen.«
    »Ein kleiner Krug mit Wein wäre schön«, brummte Philippos.
    Auf dem Schiff hatte er nichts außer Wasser zu trinken bekommen. Vielleicht würden ihm ein paar Becher Wein helfen, seinen Zorn auf Samu zu vergessen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Tyrener hinter dem Giftanschlag auf den Pharao stecken.« Simon kratzte sich nachdenklich an der Stirn und schüttelte dann den Kopf. »Wirklich nicht. Ich glaube nicht, daß irgend jemand so dumm gewesen wäre, Ptolemaios das Gift mit einem Schiff aus Tyros zu schicken. Damit wäre eine zu offensichtliche Spur gelegt.«
    »Wäre es denn nicht möglich, daß es einen Fremden in der Stadt gibt, der den Verdacht auf Tyros lenken will, um die Spur zu sich und seinen Auftraggebern zu verwischen«? fragte Samu.
    Simon überging den Einwurf der Priesterin. Er beugte sich ein Stück vor, um noch eine Heuschrecke aus der Schale auf dem Tisch zu nehmen und mit der anderen Hand nach seinem tönernen Weinpokal zu greifen. Dann lehnte er sich auf sein Lager aus Kissen zurück, blickte zum Himmel empor und seufzte. »Tyros ist eine unruhige Stadt. Die Phoenizier haben begriffen, daß die Zeit ihrer Größe vergangen ist und ihre Götzen sie nicht mehr retten können. Dennoch gibt es viele, die sich gegen die neuen Herren auflehnen möchten. Sie glauben, sie würden wieder so bedeutend wie einst. Den Legaten, den Pompeius geschickt hat, Marcus Aemilius Scaurus, den hat er noch gemocht, der Demoz, der Oberste des Rates, und die Boyie, die Hohen Herren, die an seiner Seite sitzen, doch den neuen Proconsul Aulus Gabinius verachten sie. Er mag es gut meinen, wenn er Tyros ein Aquaeduct schenken will, doch verkennt er den sturen Aberglauben der Götzenanbeter. Sie werden sich gegen die Römer auflehnen, und dann wird sich der Spruch des Propheten Ezechiel erfüllen, dem Jahwe den Untergang der stolzen Stadt kündete.
     
    Sie plündern deinen Besitz
    und rauben dir deine Waren.
    Deine Mauern reißen sie ein.
    Sie zerstören die prächtigen Bauten.
    Deine Steine, deine Balken, deinen ganzen Schutt
    werfen sie mitten ins Meer.
    So mache ich deinen lärmenden Liedern

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